Konrad Celtis
(1459-1508)

Hintergrundinformationen


Konrad Celtis: Holzschnitt von 1507

(1) Doctorum Vigili grate sodalium
Hospes, qua biiugis montibus effluit
Piscosus Necarus pingue petens solum,
Rheni et fertur in alveum.

(2) Spernis divitias, candide, sordidas
Thesaurosque tuos esse putas libros,
Quos scriptos variis colligis artibus
Illis sedulus assidens.

(3) Stant montes gemino vertice sidera
Pulsantes, levat hic silviferum caput
Gestans nubigeris delubra turribus
Proscis condita saeculis.

(4) Cheruscos alius sed petit arduo
Cornu celsa levans principis atria
Subiectumque videt cum fluvio suum
Pulchrum moenibus oppidum,

(5) Quo tectum, memini, tempora trivimus
Diversis studiis, nunc Latios libros,
Graios et Solymos, nunc Ciceronias
Artes contulimus bonas.

(6) Nunc vatum placidi carmina legimus,
Nunc, quod pontificum scrinia sentiunt,
Nunc, quod Caesaris consulibus scatet,
Grato volvimus otio.

(7) Dum nox stelligeram protulit aream,
Quot stellas gererent lucidae imagines,
Intentis oculis connumeravimus
Et quo quaeque foret loco,

(8) Quae numquam Oceano conditur ultimo
Et quae praecipti mergitur impetu
Et quae cardinibus se moveat vagis,
Certo prendimus organo.

(9) Hinc Bacchi madidis cymbia poculis
Fervens mensa tulit cum variis iocis,
Hic nummos nocuam perdit ad aleam,
Alter carminibus vacat,

(10) Hic flexu volucri saltibus incitus
Exercet variis corpora motibus,
Ut risum eliciat, dum rudis aemulus
Lapsu praecipiti cadit;

(11) Alter cornigeri pocla Thyonei
Amplexus pateris ampla patentibus
Haurit, dum titubat lingua madens mero
Verbisque officium negat.

(12) Faunos, Capripedes et Satyros leves
Saltantes Libycis sub regionibus
Nos circum iuvenes ludere crederes,
Qui tantos moveant iocos.

(13) Nec desunt Veneris gaudia fervidis
Occultis latebris atque cubiculis
Consurguntque feris proelia motibus,
Dum pes cum pede nectitur.

(14) O quam grata mihi tempora fluxerant,
Cum tecum studiis talibus egimus
Fervebantque simul pectora mutuis
Semper nostra favoribus!

Seid willkommen, Vigil, in der Gelehrten Kreis
Hier, wo von des Gebirgs doppeltem Joch befreit,
Schnell der Neckar durcheilt fischreich die fette Flur,
Hin zum Becken des Rheins gewandt.

Reichtum, schmutzigen, hast, Reiner Du, stets verschmäht.
Als alleiniger Schatz gelten die Bücher Dir,
Die Du sammelnd entliehn jeglichem Kunstbereich,
Sitzend drüber mit Fleiß gebeugt.

Stehn zwei Berge gepaart: bis an die Sterne rührt
Kühn ihr Scheitel. Es hebt einer sein waldreich Haupt.
Drauf, in Wolken gehüllt, türmend ein Heiligtum,
Das gegründet in alter Zeit.

Doch der andere Berg strebt den Cheruskern zu,
Trägt auf ragendem Bühl thronend der Fürsten Schloß.
Blickt er talwärts, da liegt kauernd die schöne Stadt,
Hoch mit Mauern bewehrt, am Fluß,

Wo wir beide studiert, gerne noch denk ich dran,
Wo wir lasen manch Buch, ob es lateinisch war,
Ob in Griechisch verfaßt oder Solymisch gar,
Wo wir Ciceros Kunst gelernt.

Friedlich lasen wir nun weisender Dichter Sang,
Nun, was bindend entschied päpstliches Kirchenrecht,
Nun, was emsig ersann Caesars Beamtenschaft -
All dies wälzten geruhsam wir.

Wenn geweitet die Nacht sternreich den Himmelstraum,
Fragte forschend der Blick, wieviele Sterne dort
Sich vereinten zum Bild, leuchtend im dunklen All,
Und wo welchem der Platz bestimmt,

Welcher nie sich verbirgt weltfern im Ozean,
Welcher tief sich versenkt auf seinem steilen Flug,
Welcher wankenden Pols droben sich fortbewegt,
All dies sahn wir vorm Meßgerät.

Doch im kleinen Pokal perlte des Bacchus Trank
Feurig. Allerlei Scherz mengte darein sich. Wenn
Von den Würfeln gelockt, einer verlor sein Geld,
Sang der andere froh sein Lied;

Einer stählte den Leib, wenn er begeistert die
Glieder bog und im Sprung hurtig die Luft durchmaß,
Daß ein Lachen erscholl, während, wer's nachgeahmt,
Unbeholfen zu Boden fiel.

Doch der andere von uns, feiernd Thyone's Sohn,
Den gehörnten, den Gott, opferte Kelch um Kelch,
Bis die Zunge, die bald anstieß vom süffigen Saft,
Hat beim sprechen den Dienst versagt.

Faune, Bockfußgeschlecht, Satyrn, die flinken, auch,
Die durch Libyens Region stürmen in heiterem Tanz,
Trieben, schien es, mit uns Jünglingen keck ihr Spiel,
Die wir haben so oft gespaßt.

Dann im heißen Versteck oder im Schlafgemach
Fehlte nimmer die Lust, fehlte Frau Venus nicht.
Und es wogte bewegt dorten so manch Gefecht,
Wenn sich Bein mit dem Bein verflocht.

Ach, entflogen wie schnell ist die vergnügte Zeit,
Als gemeinsam wir zwei haben all dies studiert
Und als tief in der Brust stand unser Herz in Glut,
Ewig liebend den andren treu!

 


(Übersetzung nach: Debon, Günther. Der Weingott und die Blaue Blume. Heidelberg, 1995. S. 14 f.)



Hintergrund
information

Die obenstehende Ode ist Johannes Vigilius gewidmet, der 1484/85 zusammmen mit Celtis in Heidelberg studiert hatte. 1495/96 hielt sich Celtis erneut in Heidelberg auf und gründete hier die Sodalitas Litteraria Rhenana, der u. a. auch Johannes Vigilius beitrat. Mit dieser Ode heißt Celtis den alten Studienfreund in der neugegründeten, humanistischen Gelehrten-gemeinschaft willkommen. Im Mittelpunkt des Gedichts steht die Erinnerung an die gemeinsam in Heidelberg verbrachte Studentenzeit (z. B. "Quo tectum, memini, tempora trivimus/ Diversis studiis, nunc Latios libros,/ Graios et Solymos, nunc Ciceronias/ Artes contulimus bonas", Strophe 5) und die damit verbundene lobende Beschreibung der Stadt. Mit der Formulierung "Stant montes gemino" (Strophe 3) nimmt Celtis auf die Lage Heidelbergs zwischen dem Heiligenberg und dem Königsstuhl Bezug. Mit den Worten "Gestans nubigeris delubra turribus/ Proscis condita saeculis" (Strophe 3) geht Celtis im folgenden näher auf den Heiligenberg ein, und mit "Cheruscos alius sed petit arduo/ Cornu celsa levans principis atria" (Strophe 4) nimmt er auf den Königsstuhl Bezug, an dessen Hang sich das Heidelberger Schloß befindet.

Literatur

Debon, Günther. Der Weingott und die Blaue Blume. Heidelberg, 1995. S. 13-25.

 

Thomas Juelch - Heidelberg und die Kurpfalz

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