II. Renaissance-Humanismus
und Reformation |
Friedrich I. der Siegreiche
Unter Friedrich I. (Kurfürst 1449-1476) kam es zu Grenzstreitigkeiten
zwischen der Kurpfalz und Kurmainz, dem mit der Kurwürde ausgestatteten
Erzbistum Mainz, das Besitzungen in unmittelbarer Nähe Heidelbergs
hatte. 1460 konnte Friedrich I. in einer Fehde gegen Kurmainz diese Gebiete
z. T. annektieren. So ging Dossenheim
von kurmainzischem in kurpfälzischen Besitz über. Die Schauenburg
oberhalb von Dossenheim ließ Friedrich I. schleifen. Von ihr sind
heute nur noch dürftige Reste erhalten.
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Im
Jahre 1461 wurde die Kurpfalz in die
sog. Mainzer Stiftsfehde verwickelt. Es handelte sich hierbei um einen
Konflikt um die Besetzung des Mainzer Erzstuhls. Am 21. April 1461 setzte
Kaiser Friedrich III. den Erzbischof Diether von Isenburg-Büdingen
ab. Am 8. August 1461 wurde sein Gegenkandidat Adolf II. von Nassau-Wiesbaden-Idstein
zum Bischof bestimmt. Die Stadt Mainz blieb jedoch auf der Seite Diethers.
Zur Vertreibung Diethers verbündete Adolf sich mit dem Erzbischof
von Trier und dem Markgraf von Baden.
Der pfälzische Kurfürst Friedrich I. stellte sich auf die
Seite Diethers. Als Gegenleistung wurden die Mainzer Besitzungen an
der Bergstraße (Lorsch, Heppenheim und Bensheim) an die Kurpfalz
übertragen. In der gegnerischen Allianz hatte man Gerüchten
glauben geschenkt, daß sich Friedrich I. mit seinen Truppen in
Bayern befinde, um dort dem bayerischen Herzog in einer Fehde gegen
den Markgrafen von Ansbach beizustehen. Friedrich I. befand sich aber
nicht außer Landes und überraschte die heranrückenden
Feinde im Wald bei Seckenheim. Auf Grund des gelungenen Überraschungsangriffs
konnte Friedrich I. die Schlacht bei Seckenheim (1462) für sich
entscheiden. Er bewirkte damit, daß Diether Bischof bleiben konnte.
Der Sieg in der Schlacht bei Seckenheim brachte Friedrich I. in der
Kurpfalz den Beinahmen 'der Siegreiche' ein, für seine Gegner war
er der 'böse Friedrich'. Im Volksmund wird Friedrich I. auch 'Pfälzer
Fritz' genannt. An die Schlacht bei Seckenheim erinnert bis heute der
Ortsname "Friedrichsfeld". Es handelt sich hierbei um eine
Siedlung, die 1682 in der Nähe des Schlachtfeldes entstand und
heute Vorort von Mannheim ist.
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Friedrich der
Siegreiche als
Lehensherr
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Peter
Luder in Heidelberg
Friedrich I. stand der humanistischen Geistesbewegung - als einer der ersten
deutschen Fürsten - aufgeschlossen gegenüber. Nach italienischem
Vorbild pflegte und förderte er die neuen Ideen an seiner Residenz.
Er berief deshalb 1456 den Humanisten Peter Luder an die Universität
Heidelberg, der einer der ersten Lehrer der 'studia humanitatis' (=der humanistischen
Fächer) an einer deutschen Universität war. Eine Professur konnte
man Luder allerdings nicht anbieten, da die Universität Heidelberg
1456 noch tief in den scholastischen Traditionen verankert war, und noch
keinen Lehrstuhl für die 'studia humanitatis' besaß. Luder wurde
daher nur durch die Hörergebühren entlohnt. Luders Start in Heidelberg
war spektakulär. Er präsentierte sich der Universitätsöffentlichkeit
mit einer programmatischen Rede zur Empfehlung der 'studia humanitatis'.
Es war die erste derartige Rede an einer deutschen Universität. Sie
gilt als Initialzündung des Humanismus in Deutschland. So setzt man
1456, das Jahr in dem Luder seine Rede hielt, als Entstehungsdatum des deutschen
Humanismus an. (Jene Rede über die 'studia humanitatis' wurde künftig
Luders Paradevorlesung, mit der er jeweils an den Universitäten, an
denen er nach seiner Zeit in Heidelberg lehrte, seinen Einstand gab.) Selbstverständlich
stieß Luder an der scholastischen Universität Heidelberg auf
Widerstand. So standen viele scholastische Professoren den von Luder vertretenen
'studia humanitatis' ablehnend gegenüber - besonders wohl auch wegen
seines freizügigen Lebenswandels. (Luder zeugte in Heidelberg mehrere
uneheliche Töchter.) Die artistische Fakultät verlangte von Luder
sogar, seine Rede zur Zensur vozulegen, bevor sie gehalten werden durfte.
Luder lehnte dies jedoch - mit einem scharfen Verweis auf die Inkompetenz
der Fakultät - ab. Viele Professoren an der Universität Heidelberg
standen Luder und dem von ihm vertretenen Bildungsideal, jedoch auch wohlgesonnen
gegenüber - allen voran Johannes Wildenhertz, der schon vor der Ankunft
Luders in Heidelberg Vorlesungen über klassische Autoren an der Universität
gehalten hatte. Nur dank der Intervention des einflußreichen Johannes
Wildenhertz konnte Luder seine Vorlesung über die 'studia humanitas'
halten, ohne sie vorher zur Zensur vorzulegen. Ferner wurde Luder von dem
'scholastischen' Theologieprofessor Johannes Wenck unterstützt, der
um die Mitte des 15. Jahrhundert das größte Ansehen genoß.
Wichtig war auch, daß der Kurfürst Friedrich I. stets seine schützende
Hand über Luder hielt. Seine Dankbarkeit hierfür bekundete Luder
mit einer lateinische Lobrede auf Pfalzgraf Friedrich I. und das Wittelsbacher
Haus, die er 1458 an der Universität Heidelberg hielt. Am Anfang der
unter dem Titel "Laus Friderici ducis Bavarie Comitis palatini"
veröffentlichten Rede steht das Lob der Stadt Heidelberg, die in den
schillerndsten Tönen beschrieben wird. Insbesondere rühmt Luder
die damals gerade 70 Jahre alte Universität Heidelberg, der er eine
führende Stellung unter den deutschen Universitäten zuspricht.
Das Stadtlob stellt jedoch nur den Auftakt der Rede dar. Den Hauptteil von
Luders Rede bildet die Glorifikation des Wittelsbacher Hauses, dessen Stammbaum
von den Frankenkönigen hergeleitet wird.
Luders prominenteste Schüler in Heidelberg waren die bekannten deutschen
Frühhumanisten Matthias von Kemnat und Stefan Hoest. Mit Matthias von
Kemnat, dem späteren Hofkaplan und Historiographen von Kurfürst
Friedrich I., verband Luder eine sehr persönliche, enge Freundschaft,
die auch über die Heidelberger Zeit hinaus anhielt. Der Theologe Stephan
Hoest wurde Luders Nachfolger in Heidelberg. |
Die Entwicklung des pfälzischen Humanismus unter Philipp dem Aufrichtigen
Seinen Höhepunkt erreichte der pfälzische Humanismus unter
Kurfürst Philipp dem Aufrichtigen, der Heidelberg
zu einem der wichtigsten humanistischen Zentren in Deutschland machte.
1481 erhob Philipp den Wormser Domprobst Johann von Dalberg - der seit
1482 Bischof von Worms war - zum kurpfälzischen Kanzler. Dalberg
war ein bedeutender Humanist, der - wie vom Kurfürsten gewünscht
- diverse berühmte Vertreter humanistischer Gelehrsamkeit nach Heidelberg
holte. So berief Dalberg z. B. 1484 den berühmten Humanisten Rudolf
Agricola (1444-1485) an die Universität Heidelberg, der hier bis
ans Ende seiner Tage klassische Philologie lehrte. Der berühmte Dichter
Konrad Celtis studierte
1484/85 bei Agricola an der Universität Heidelberg Latein, Griechisch
und Hebräisch. Nach einem unsteten Wanderleben weilte Celtis 1495/96
wieder in Heidelberg. Celtis gründete nun, mit der "Sodalitas
Litteraria Rhenana" (lat. sodalitas =Freundeskreis), deren Präsident
Dalberg wurde, in Heidelberg den ersten seiner humanistischen Freundeskreise,
die im deutschen Sodalitäten genannt werden. (Das deutsche Wort ist
vom lateinischen Originalbegriff 'sodalitas' abgeleitet.) In den Sodalitäten
wurden für Humanisten interessante Fragen erörtert und Ideen
ausgetauscht. Die "Sodalitas Litteraria Rhenana" trug damit
wesentlich zur Festigung der Reputation Heidelbergs als eines der Zentren
des Humanismus in Deutschland bei. Auch der große humanistische
Gelehrte Johannes Reuchlin (1455-1522) hielt sich von 1496 bis 1499 in
Heidelberg auf. Durch seine Anwesenheit wurde die humanistische Szene
in der kurpfälzischen Hauptstadt ungemein bereichert. Beispielsweise
wurde 1497 Reuchlins lateinische Komödie "Henno" von Studenten
der Universität im Hause Dalbergs aufgeführt. Die Aufführung
erregte großes Aufsehen.
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Ein weiterer bedeutender
Humanist am Hof Philipps des Aufrichtigen war Werner von Themar. Der Kurfürst
hatte ihn 1488 nach Heidelberg geholt. Werner wurde hier zunächst
als Erzieher des kurfürstlichen Nachwuchses tätig. Des weiteren
hielt er an der Universität Heidelberg Vorlesungen über die
antiken Autoren Persius (1489), Juvenal (1491) und Statius (1492). Schon
früh erkannte er jedoch, daß er an der Rechtswissenschaft stärker
interessiert war als an der klassischen Philologie. Er bat daher seinen
Gönner, Philipp den Aufrichtigen, ihm eine rechtswissenschaftliche
Ausbildung zu ermöglichen. Diese Bitte wurde ihm gewährt, und
schon bald wurde Werner von Themar Dozent an der Juristenfakultät
der Universität Heidelberg. 1497 wurde Werner sogar zum Universitätsrektor
gewählt. 1504 und 1510 folgten weitere Rektorate an der Universität.
Das erste Amtsjahr Werners von Themar (1497) war überschattet vom
Protest der Studierenden der juristischen Fakultät gegen das Fehlen
einer Juristen-Burse. (Bei Bursen handelte es sich um Einrichtungen, die
zum einen als Studentenwohnheim dienten, und die den Studenten zum anderen
die für das Studium obligatorische Vorbildung vermittelten.) Für
die Studierenden der Artistenfakultät war bereits kurz nach Gründung
der Universität Heidelberg eine Burse errichtet worden. Die Probleme,
die das Fehlen einer Juristen-Burse mit sich brachte, werden am besten
durch folgendes Zitat eines Zeitgenossen beschrieben. Danach mußten
die Studenten der Juristenfakultät in der Stadt wohnen, "was
inen müsam, schimpfflich, an Studien hinderlich und ihren Eltern
viel costlich ist". 1498 ließ sich Philipp der Aufrichtige
in der Tat zur Stiftung einer weiteren Burse für die Juristen, der
sog. 'Nova Bursa' bewegen. Die Einweihung der Burse wurde durch den kurfürstlichen
Kanzler Johann von Dalberg vollzogen, der als trefflicher Kenner des Rechts
auch die Anregung zu dieser Einrichtung gegeben haben mag.
Die Universität Heidelberg zog insbesondere auch Humanisten aus dem
Elsaß an. Dies war zum einen durch die Nähe Heidelbergs zum
Elsaß bedingt, zum anderen aber auch dadurch, daß in Heidelberg
bereits humanistische Studien betrieben wurden, als die anderen deutschen
Universitäten noch den scholastischen Traditionen verpflichtet waren.
Auch der in Schlettstadt geborene Jakob Wimpfeling (1450-1528) kam - im
Anschluß an seine Studien in Freiburg - nach Heidelberg, wo er sich
zum Humanisten entwickelte. Wimpfeling schloß in Heidelberg sein
Studium ab und nahm im folgenden - dem drängenden Ruf von Kurfürst
Philipp folgend - eine humanistische Professur an der Universität
Heidelberg an. Wimpfeling drückt seine Verehrung für Philipp
den Aufrichtigen in verschiedenen Lobgedichten aus. So hatte Wimpfeling
1476 den Herrschaftsantritt Philipps in emphatischen Versen begrüßt
und Philipp noch 1498 als Ideal eines guten Herrschers gefeiert. Als Philipp
sich jedoch im bayerischen Erbfolgekrieg gegen König Maximilian stellte,
wandte Wimpfeling sich enttäuscht von dem pfälzischen Kurfürsten
ab. Wimpfelings deutsch-patriotische Gesinnung war mit der Kriegsführung
Philipps gegen den deutschen König nicht vereinbar. So verließ
Wimpfeling Heidelberg und siedelte nach Staßburg über als sich
der Konflikt zwischen Philipp und Maximilian abzeichnete.
Der bayerische Erbfolgekrieg
Während Philipp der Aufrichtige als Förderer des Humanismus
große Verdienste zukommen, war ihm in politischer Hinsicht leider
weniger Glück beschieden. So kam es unter seiner Herrschaft zum bayerischen
Erbfolgekrieg. Die
Vorgeschichte stellt sich folgendermaßen dar: Um später Erbansprüche
auf Bayern geltend machen zu können, und so die Vorherrschaft im
süddeutschen Raum zu erlangen, verheiratete Philipp seinen Sohn Ruprecht
mit der Tochter des Herzogs Georg des Reichen von Bayern-Landshut. Da
Georg selbst keinen Sohn hatte, verfügte er testamentarisch, daß
seine Tochter Elisabeth und deren Gemahl Ruprecht seinen Besitz erben
sollten. Damit hatte er nicht nur ältere Erbrechte seiner oberbayerischen
Vettern, der Herzöge Albrecht und Wolfgang von Bayern-München,
verletzt, sondern auch gegen Reichsrecht verstoßen, denn für
einen Teil des Erbes war nach dem Lehensrecht des Reichs die weibliche
Erbfolge ausgeschlossen. Das Lehen war also - nach Georgs Tod (1503) -
ans Reich zurückgefallen und konnte nur vom König neu ausgegeben
werden. Aus dieser Rechtslage und aus der Gefahr einer süddeutschen
Vormachtstellung der Kurpfalz ergab sich eine natürliche Interessengemeinschaft
zwischen den Münchner Herzögen und König Maximilian von
Habsburg. So erklärte Maximilian das Testament Georgs für ungültig,
belehnte statt dessen die Herzöge Albrecht und Wolfgang und setzte
in Landshut bis zur endgültigen Regelung des Streitfalls eine vorläufige
Regierung ein. 1504 versuchte Philipp der Aufrichtige seine Erbansprüche
gewaltsam durchzusetzen und überfiel Landshut. Er löste damit
den bayerischen Erbfolgekrieg aus, der bis 1505 andauerte. Letztendlich
konnte sich Philipp nicht gegen den Kaiser durchsetzen und wurde von dessen
Truppen bezwungen. Nach seinem Sieg über Philipp entzog Maximilian
der Pfalz die Reichslandvogtei Hagenau, der das Elsaß angehörte.
Das Gebiet befand sich bereits zuvor in habsburgischem Besitz. Die Habsburger
hatten die Vogteirechte jedoch an die Kurpfalz abgetreten und damit die
pfälzischen Kurfürsten als Verwalter des Gebiets eingesetzt.
Diese Funktion des pfälzer Kurhauses wurde nun durch Maximilian aufgehoben.
ABSTAND
Für Ruprecht
und Elisabeth wurde, im Anschluß an den bayerischen Erbfolgekrieg,
aus bayerischen und oberpfälzischen Gebieten das Fürstentum
Pfalz-Neuburg geschaffen. Das Fürstentum wurde an Ottheinrich, den
Sohn Ruprechts und Elisabeths, übertragen. Große Bedeutung
erlangte Ottheinrich, als er später auch pfälzischer Kurfürst
wurde.
ABSTAND
Ludwig V.
Nach der Niederlage der Kurpfalz gegen König Maximilian im bayerischen
Erbfolgekrieg, trat Ludwig V. (Kurfürst 1508-1544) - der Sohn und
Nachfolger Philipps des Aufrichtigen - ein schweres Erbe an. Sein Ziel
war es die Vormachtstellung der Kurpfalz im deutschen Südwesten wiederherzustellen,
was mit Rückendeckung Frankreichs - dem Hauptgegner der Habsburger
- gelang. Ferner konnte Ludwig V. 1518 triumphieren, als das Haus Habsburg
sich gezwungen sah, die Kurstimme der pfälzischen Wittelsbacher für
die Wahl Karls V. zum deutschen König teuer zu erkaufen. Um Ludwig
V. dazu zu bewegen im Kurkolleg für Karl V. zu stimmen, belehnte
Maximilian die Kurpfalz auf dem Ausgburger Reichstag mit diversen Regalien
und Lehen. Dazu erhielt Ludwig V. 100.000 rheinische Gulden für die
im bayerischen Erbfolgekrieg erlittenen Gebietsverluste und eine jährliche
Pension von 6.000 Gulden.
Während sich Philipp als Förderer von Kunst und Wissenschaften
sowie als Freund des Humanismus verstand, war Ludwig V. an diesen Dingen
nicht interessiert. Sein Interesse galt vielmehr dem Ausbau des Heidelberger
Schlosses. So gehen vor allem die Verteidigungsanlagen des Heidelberger
Schlosses (insbesondere der Artilleriepark)
auf das Bauprogramm Ludwigs V. zurück. Ferner entstanden unter Ludwig
V. der nach ihm benannte Ludwigsbau,
der Frauenzimmerbau,
das Ökonomiegebäude
und der Bibliotheksbau.
Der bereits existente Ruprechtsbau
wurde aufgestockt. Realisiert wurden diese Bauvorhaben durch Lorenz
Lechler, der bereits unter Philipp dem Aufrichtigen als kurfürstlicher
Baumeister tätig war, und unter Ludwig V. diese Position beibehielt.
ABSTAND
Die Heidelberger Disputation
Am 26. April 1518 wurde in Heidelberg, wo sich seit dem 13. Jh. ein
Augustinerkloster
befand, das Generalkapitel der Reformkongregation des Augustinerordens
abgehalten. Dies war eine alle drei Jahre an jeweils anderen Orten durchgeführte
Veranstaltung. Das Heidelberger Augustinerkloster hatte einige Beziehungen
zum Lehrkörper der Universität. Und so tagte man auch nicht
im Kloster selbst, sondern im Gebäude der Artistenfakultät,
d. h. also in einem Universitätshörsaal. Neben den Augustinern
war die sämtliche Professoren der Artisten und Theologen samt ihrer
Studenten anwesend. Die
Veranstaltung wurde von Martin Luther geleitet, der die Gelegenheit wahrnahm,
seine 95 Thesen, die er ein halbes Jahr zuvor an der Schloßkirche
zu Wittenberg angeschlagen haben soll, zu verteidigen. Das Streitgespräch,
das als die Heidelberger Disputation in die Geschichte eingegangen ist,
trug dazu bei, daß Luthers Ideen deutschlandweit unter Studierenden
und Gelehrten schnell bekannt wurden. Einfluß auf die kurpfälzische
Regierung erlangte die Heidelberger Disputation, als einige derer, die
ihr in jungen Jahren als Studenten beigewohnt hatten, Räte am Hof
des im folgenden vorzustellenden Kurfürsten Friedrich II. wurden.
Durch sie wurde das Gedankengut, das Luther auf der Heidelberger Disputation
vorgetragen hatte, bei Hof verbreitet, und wie im folgenden darzustellen
sein wird, stand Friedrich II. der Reformation in der Tat nicht ganz abgeneigt
gegenüber.
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Friedrich II.
Der Nachfolger Ludwigs V. war Friedrich II. (Kurfürst 1544-1556). Das
Leben Friedrichs II. ist durch seinen Biographen, Hubert Thomas Leodius,
außerordentlich gut dokumentiert und überliefert. Leodius blieb
in der Reformationszeit Katholik und verlor so das Vertrauen Friedrichs
II., der zur evangelischen Seite neigte. Trotz seiner Sympathie für
den lutherischen Protestantismus, verhielt sich Friedrich II. im Schmalkaldischen
Krieg (1546-47) neutral, da anderenfalls eine Besetzung der Kurpfalz durch
den Kaiser und die katholischen Reichsstände zu befürchten gewesen
wäre. 1548 konnte Friedrich II. eine Versöhnung mit Kaiser Karl
V. herbeiführen, indem er behauptete, nur auf Druck seiner Untertanen
Sympathie für den Protestantismus gezeigt zu haben. Der Kaiser akzeptierte
Friedrichs II. Entschuldigung nur zögerlich. Um diese Versöhnung
zu ermöglichen, mußte Friedrich II. zum Katholizismus zurückkehren
und um sie nicht zu gefährden, beim Katholizismus bleiben. Seine dem
Protestantismus zugeneigten Untertanen, konnte er seitdem nicht länger
gewähren lassen. Im Heidelberger Schloß wurde unter Friedrich
II. der Gläserne
Saalbau errichtet.
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ABSTAND
Die Reformation in der Kurpfalz
Nach dem ersten Aufblühen des lutherischen Protestantismus unter
Friedrich II., wurde die lutherische Reformation in der Kurpfalz von Ottheinrich
(=Otto Heinrich, Kurfürst 1556-1559) durchgesetzt. Ottheinrich war
Herr über das Fürstentum Pfalz-Neuburg,
das als Resultat des bayerischen Erbfolgekriegs entstanden war. Als Herrscher
des Fürstentums Neuburg hatte er bereits dort die Reformation durchgesetzt.
Ottheinrich trieb das Fürstentum jedoch in den Bankrott. Neuburg
wurde daraufhin vom Kaiser besetzt und Ottheinrich mußte in das
kurpfälzische Stammland fliehen. Hier wartete er lange Jahre, bis
er, als Nachfolger von Friedrich II., Kurfürst werden konnte. Währenddessen
residierte er zeitweise in Weinheim.
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Als Ottheinrich 1556
Kurfürst wurde, hatte er nur noch drei Jahre zu leben. Trotzdem wurde
das pfälzische Kurfürstentum durch ihn entscheidend geprägt.
Unter seiner Herrschaft entwickelte sich die Kurpfalz zu einem der Zentren
des lutherischen Protestantismus in Deutschland. Ottheinrich setzte auch
eine grundlegende Umstrukturierung der Universität Heidelberg durch.
So wurden die universitären Dozentenstellen bisher vor allem aus
Pfründen nach dem Finanzierungssystem der katholischen Kirche finanziert.
Katholische Pfarrer wurden aus Spendeneinnahmen der Kirche bezahlt. Diesem
Vorbild folgend bezahlte auch die Universität Heidelberg ihre Dozenten
aus Spendeneinnahmen der Heiliggeistkirche.
Deshalb waren, bis zu den von Ottheinrich durchgeführten Reformen,
alle Dozenten der Universität Heidelberg offiziell auch Pfarrer an
der Heiliggeistkirche. Wegen dieses Umstandes waren alle Dozenten der
Universität Heidelberg katholisch, was die Reformation behinderte
und für Ottheinrich daher völlig inakzeptabel war. Ottheinrich
finanzierte die Universität daher durch die Säkularisierung
von Kirchengütern und machte sie damit von der katholischen Kirche
unabhängig. Die Professorenschaft wählte 1556 demonstrativ den
katholischen Theologen Matthias Keuler zum Rektor der Universität.
Dieser mußte jedoch, auf Befehl Ottheinrichs, sein Amt niederlegen.
Nach Abschluß der Universitätsreform hatte die Universität
Heidelberg keine Fakultät für katholische Theologie mehr.
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ABSTAND
Unmittelbar nach Regierungsantritt ließ Kurfürst Ottheinrich
auf dem Heidelberger Schloß mit der Errichtung des nach ihm benannten
Ottheinrichsbaus
beginnen, dessen Fertigstellung er jedoch nicht mehr erlebte. |
ABSTAND
Mit Ottheinrich starb die ältere Kurlinie der pfälzischen Wittelsbacher,
deren Ahnherr Kurfürst
Ludwig III. gewesen war, aus. Mit Kurfürst
Friedrich III. trat nun das Haus
Pfalz-Simmern die Nachfolge an. |
ABSTAND
ABSTAND
Literatur
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Veit, Probst. "Machtpolitik und Mäzenatentum: Friedrich
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in: Mannheimer Geschichtsblätter, Bd. 3, 1996. S. 153-173.
Wiegand,
Hermann. Der zweigipflige Musenberg. Studien zum Humanismus in der
Kurpfalz. Ubstadt-Weiher, 2000.
|
Thomas
Juelch - Heidelberg
und die Kurpfalz
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