II. Renaissance-Humanismus und Reformation

Friedrich I. der Siegreiche
Unter Friedrich I. (Kurfürst 1449-1476) kam es zu Grenzstreitigkeiten zwischen der Kurpfalz und Kurmainz, dem mit der Kurwürde ausgestatteten Erzbistum Mainz, das Besitzungen in unmittelbarer Nähe Heidelbergs hatte. 1460 konnte Friedrich I. in einer Fehde gegen Kurmainz diese Gebiete z. T. annektieren. So ging Dossenheim von kurmainzischem in kurpfälzischen Besitz über. Die Schauenburg oberhalb von Dossenheim ließ Friedrich I. schleifen. Von ihr sind heute nur noch dürftige Reste erhalten.

Im Jahre 1461 wurde die Kurpfalz in die sog. Mainzer Stiftsfehde verwickelt. Es handelte sich hierbei um einen Konflikt um die Besetzung des Mainzer Erzstuhls. Am 21. April 1461 setzte Kaiser Friedrich III. den Erzbischof Diether von Isenburg-Büdingen ab. Am 8. August 1461 wurde sein Gegenkandidat Adolf II. von Nassau-Wiesbaden-Idstein zum Bischof bestimmt. Die Stadt Mainz blieb jedoch auf der Seite Diethers. Zur Vertreibung Diethers verbündete Adolf sich mit dem Erzbischof von Trier und dem Markgraf von Baden. Der pfälzische Kurfürst Friedrich I. stellte sich auf die Seite Diethers. Als Gegenleistung wurden die Mainzer Besitzungen an der Bergstraße (Lorsch, Heppenheim und Bensheim) an die Kurpfalz übertragen. In der gegnerischen Allianz hatte man Gerüchten glauben geschenkt, daß sich Friedrich I. mit seinen Truppen in Bayern befinde, um dort dem bayerischen Herzog in einer Fehde gegen den Markgrafen von Ansbach beizustehen. Friedrich I. befand sich aber nicht außer Landes und überraschte die heranrückenden Feinde im Wald bei Seckenheim. Auf Grund des gelungenen Überraschungsangriffs konnte Friedrich I. die Schlacht bei Seckenheim (1462) für sich entscheiden. Er bewirkte damit, daß Diether Bischof bleiben konnte. Der Sieg in der Schlacht bei Seckenheim brachte Friedrich I. in der Kurpfalz den Beinahmen 'der Siegreiche' ein, für seine Gegner war er der 'böse Friedrich'. Im Volksmund wird Friedrich I. auch 'Pfälzer Fritz' genannt. An die Schlacht bei Seckenheim erinnert bis heute der Ortsname "Friedrichsfeld". Es handelt sich hierbei um eine Siedlung, die 1682 in der Nähe des Schlachtfeldes entstand und heute Vorort von Mannheim ist.


Friedrich der
Siegreiche
(für vergrößertes
Bild hier klicken)


Friedrich der
Siegreiche als
Lehensherr
(für vergrößertes
Bild hier klicken)

Peter Luder in Heidelberg
Friedrich I. stand der humanistischen Geistesbewegung - als einer der ersten deutschen Fürsten - aufgeschlossen gegenüber. Nach italienischem Vorbild pflegte und förderte er die neuen Ideen an seiner Residenz. Er berief deshalb 1456 den Humanisten Peter Luder an die Universität Heidelberg, der einer der ersten Lehrer der 'studia humanitatis' (=der humanistischen Fächer) an einer deutschen Universität war. Eine Professur konnte man Luder allerdings nicht anbieten, da die Universität Heidelberg 1456 noch tief in den scholastischen Traditionen verankert war, und noch keinen Lehrstuhl für die 'studia humanitatis' besaß. Luder wurde daher nur durch die Hörergebühren entlohnt. Luders Start in Heidelberg war spektakulär. Er präsentierte sich der Universitätsöffentlichkeit mit einer programmatischen Rede zur Empfehlung der 'studia humanitatis'. Es war die erste derartige Rede an einer deutschen Universität. Sie gilt als Initialzündung des Humanismus in Deutschland. So setzt man 1456, das Jahr in dem Luder seine Rede hielt, als Entstehungsdatum des deutschen Humanismus an. (Jene Rede über die 'studia humanitatis' wurde künftig Luders Paradevorlesung, mit der er jeweils an den Universitäten, an denen er nach seiner Zeit in Heidelberg lehrte, seinen Einstand gab.) Selbstverständlich stieß Luder an der scholastischen Universität Heidelberg auf Widerstand. So standen viele scholastische Professoren den von Luder vertretenen 'studia humanitatis' ablehnend gegenüber - besonders wohl auch wegen seines freizügigen Lebenswandels. (Luder zeugte in Heidelberg mehrere uneheliche Töchter.) Die artistische Fakultät verlangte von Luder sogar, seine Rede zur Zensur vozulegen, bevor sie gehalten werden durfte. Luder lehnte dies jedoch - mit einem scharfen Verweis auf die Inkompetenz der Fakultät - ab. Viele Professoren an der Universität Heidelberg standen Luder und dem von ihm vertretenen Bildungsideal, jedoch auch wohlgesonnen gegenüber - allen voran Johannes Wildenhertz, der schon vor der Ankunft Luders in Heidelberg Vorlesungen über klassische Autoren an der Universität gehalten hatte. Nur dank der Intervention des einflußreichen Johannes Wildenhertz konnte Luder seine Vorlesung über die 'studia humanitas' halten, ohne sie vorher zur Zensur vorzulegen. Ferner wurde Luder von dem 'scholastischen' Theologieprofessor Johannes Wenck unterstützt, der um die Mitte des 15. Jahrhundert das größte Ansehen genoß. Wichtig war auch, daß der Kurfürst Friedrich I. stets seine schützende Hand über Luder hielt. Seine Dankbarkeit hierfür bekundete Luder mit einer lateinische Lobrede auf Pfalzgraf Friedrich I. und das Wittelsbacher Haus, die er 1458 an der Universität Heidelberg hielt. Am Anfang der unter dem Titel "Laus Friderici ducis Bavarie Comitis palatini" veröffentlichten Rede steht das Lob der Stadt Heidelberg, die in den schillerndsten Tönen beschrieben wird. Insbesondere rühmt Luder die damals gerade 70 Jahre alte Universität Heidelberg, der er eine führende Stellung unter den deutschen Universitäten zuspricht. Das Stadtlob stellt jedoch nur den Auftakt der Rede dar. Den Hauptteil von Luders Rede bildet die Glorifikation des Wittelsbacher Hauses, dessen Stammbaum von den Frankenkönigen hergeleitet wird.

Luders prominenteste Schüler in Heidelberg waren die bekannten deutschen Frühhumanisten Matthias von Kemnat und Stefan Hoest. Mit Matthias von Kemnat, dem späteren Hofkaplan und Historiographen von Kurfürst Friedrich I., verband Luder eine sehr persönliche, enge Freundschaft, die auch über die Heidelberger Zeit hinaus anhielt. Der Theologe Stephan Hoest wurde Luders Nachfolger in Heidelberg.


Die Entwicklung des pfälzischen Humanismus unter Philipp dem Aufrichtigen
Seinen Höhepunkt erreichte der pfälzische Humanismus unter Kurfürst Philipp dem Aufrichtigen, der
Heidelberg zu einem der wichtigsten humanistischen Zentren in Deutschland machte. 1481 erhob Philipp den Wormser Domprobst Johann von Dalberg - der seit 1482 Bischof von Worms war - zum kurpfälzischen Kanzler. Dalberg war ein bedeutender Humanist, der - wie vom Kurfürsten gewünscht - diverse berühmte Vertreter humanistischer Gelehrsamkeit nach Heidelberg holte. So berief Dalberg z. B. 1484 den berühmten Humanisten Rudolf Agricola (1444-1485) an die Universität Heidelberg, der hier bis ans Ende seiner Tage klassische Philologie lehrte. Der berühmte Dichter Konrad Celtis studierte 1484/85 bei Agricola an der Universität Heidelberg Latein, Griechisch und Hebräisch. Nach einem unsteten Wanderleben weilte Celtis 1495/96 wieder in Heidelberg. Celtis gründete nun, mit der "Sodalitas Litteraria Rhenana" (lat. sodalitas =Freundeskreis), deren Präsident Dalberg wurde, in Heidelberg den ersten seiner humanistischen Freundeskreise, die im deutschen Sodalitäten genannt werden. (Das deutsche Wort ist vom lateinischen Originalbegriff 'sodalitas' abgeleitet.) In den Sodalitäten wurden für Humanisten interessante Fragen erörtert und Ideen ausgetauscht. Die "Sodalitas Litteraria Rhenana" trug damit wesentlich zur Festigung der Reputation Heidelbergs als eines der Zentren des Humanismus in Deutschland bei. Auch der große humanistische Gelehrte Johannes Reuchlin (1455-1522) hielt sich von 1496 bis 1499 in Heidelberg auf. Durch seine Anwesenheit wurde die humanistische Szene in der kurpfälzischen Hauptstadt ungemein bereichert. Beispielsweise wurde 1497 Reuchlins lateinische Komödie "Henno" von Studenten der Universität im Hause Dalbergs aufgeführt. Die Aufführung erregte großes Aufsehen.


Philipp der Aufrichtige
(für vergrößertes
Bild hier klicken)



Johann von Dalberg
(für vergrößertes
Bild hier klicken)



Konrad Celtis
(für vergrößertes
Bild hier klicken)

Ein weiterer bedeutender Humanist am Hof Philipps des Aufrichtigen war Werner von Themar. Der Kurfürst hatte ihn 1488 nach Heidelberg geholt. Werner wurde hier zunächst als Erzieher des kurfürstlichen Nachwuchses tätig. Des weiteren hielt er an der Universität Heidelberg Vorlesungen über die antiken Autoren Persius (1489), Juvenal (1491) und Statius (1492). Schon früh erkannte er jedoch, daß er an der Rechtswissenschaft stärker interessiert war als an der klassischen Philologie. Er bat daher seinen Gönner, Philipp den Aufrichtigen, ihm eine rechtswissenschaftliche Ausbildung zu ermöglichen. Diese Bitte wurde ihm gewährt, und schon bald wurde Werner von Themar Dozent an der Juristenfakultät der Universität Heidelberg. 1497 wurde Werner sogar zum Universitätsrektor gewählt. 1504 und 1510 folgten weitere Rektorate an der Universität. Das erste Amtsjahr Werners von Themar (1497) war überschattet vom Protest der Studierenden der juristischen Fakultät gegen das Fehlen einer Juristen-Burse. (Bei Bursen handelte es sich um Einrichtungen, die zum einen als Studentenwohnheim dienten, und die den Studenten zum anderen die für das Studium obligatorische Vorbildung vermittelten.) Für die Studierenden der Artistenfakultät war bereits kurz nach Gründung der Universität Heidelberg eine Burse errichtet worden. Die Probleme, die das Fehlen einer Juristen-Burse mit sich brachte, werden am besten durch folgendes Zitat eines Zeitgenossen beschrieben. Danach mußten die Studenten der Juristenfakultät in der Stadt wohnen, "was inen müsam, schimpfflich, an Studien hinderlich und ihren Eltern viel costlich ist". 1498 ließ sich Philipp der Aufrichtige in der Tat zur Stiftung einer weiteren Burse für die Juristen, der sog. 'Nova Bursa' bewegen. Die Einweihung der Burse wurde durch den kurfürstlichen Kanzler Johann von Dalberg vollzogen, der als trefflicher Kenner des Rechts auch die Anregung zu dieser Einrichtung gegeben haben mag.

Die Universität Heidelberg zog insbesondere auch Humanisten aus dem Elsaß an. Dies war zum einen durch die Nähe Heidelbergs zum Elsaß bedingt, zum anderen aber auch dadurch, daß in Heidelberg bereits humanistische Studien betrieben wurden, als die anderen deutschen Universitäten noch den scholastischen Traditionen verpflichtet waren. Auch der in Schlettstadt geborene Jakob Wimpfeling (1450-1528) kam - im Anschluß an seine Studien in Freiburg - nach Heidelberg, wo er sich zum Humanisten entwickelte. Wimpfeling schloß in Heidelberg sein Studium ab und nahm im folgenden - dem drängenden Ruf von Kurfürst Philipp folgend - eine humanistische Professur an der Universität Heidelberg an. Wimpfeling drückt seine Verehrung für Philipp den Aufrichtigen in verschiedenen Lobgedichten aus. So hatte Wimpfeling 1476 den Herrschaftsantritt Philipps in emphatischen Versen begrüßt und Philipp noch 1498 als Ideal eines guten Herrschers gefeiert. Als Philipp sich jedoch im bayerischen Erbfolgekrieg gegen König Maximilian stellte, wandte Wimpfeling sich enttäuscht von dem pfälzischen Kurfürsten ab. Wimpfelings deutsch-patriotische Gesinnung war mit der Kriegsführung Philipps gegen den deutschen König nicht vereinbar. So verließ Wimpfeling Heidelberg und siedelte nach Staßburg über als sich der Konflikt zwischen Philipp und Maximilian abzeichnete.

Der bayerische Erbfolgekrieg
Während Philipp der Aufrichtige als Förderer des Humanismus große Verdienste zukommen, war ihm in politischer Hinsicht leider weniger Glück beschieden. So kam es unter seiner Herrschaft zum bayerischen Erbfolgekrieg.
Die Vorgeschichte stellt sich folgendermaßen dar: Um später Erbansprüche auf Bayern geltend machen zu können, und so die Vorherrschaft im süddeutschen Raum zu erlangen, verheiratete Philipp seinen Sohn Ruprecht mit der Tochter des Herzogs Georg des Reichen von Bayern-Landshut. Da Georg selbst keinen Sohn hatte, verfügte er testamentarisch, daß seine Tochter Elisabeth und deren Gemahl Ruprecht seinen Besitz erben sollten. Damit hatte er nicht nur ältere Erbrechte seiner oberbayerischen Vettern, der Herzöge Albrecht und Wolfgang von Bayern-München, verletzt, sondern auch gegen Reichsrecht verstoßen, denn für einen Teil des Erbes war nach dem Lehensrecht des Reichs die weibliche Erbfolge ausgeschlossen. Das Lehen war also - nach Georgs Tod (1503) - ans Reich zurückgefallen und konnte nur vom König neu ausgegeben werden. Aus dieser Rechtslage und aus der Gefahr einer süddeutschen Vormachtstellung der Kurpfalz ergab sich eine natürliche Interessengemeinschaft zwischen den Münchner Herzögen und König Maximilian von Habsburg. So erklärte Maximilian das Testament Georgs für ungültig, belehnte statt dessen die Herzöge Albrecht und Wolfgang und setzte in Landshut bis zur endgültigen Regelung des Streitfalls eine vorläufige Regierung ein. 1504 versuchte Philipp der Aufrichtige seine Erbansprüche gewaltsam durchzusetzen und überfiel Landshut. Er löste damit den bayerischen Erbfolgekrieg aus, der bis 1505 andauerte. Letztendlich konnte sich Philipp nicht gegen den Kaiser durchsetzen und wurde von dessen Truppen bezwungen. Nach seinem Sieg über Philipp entzog Maximilian der Pfalz die Reichslandvogtei Hagenau, der das Elsaß angehörte. Das Gebiet befand sich bereits zuvor in habsburgischem Besitz. Die Habsburger hatten die Vogteirechte jedoch an die Kurpfalz abgetreten und damit die pfälzischen Kurfürsten als Verwalter des Gebiets eingesetzt. Diese Funktion des pfälzer Kurhauses wurde nun durch Maximilian aufgehoben.
ABSTAND
Für Ruprecht und Elisabeth wurde, im Anschluß an den bayerischen Erbfolgekrieg, aus bayerischen und oberpfälzischen Gebieten das Fürstentum Pfalz-Neuburg geschaffen. Das Fürstentum wurde an Ottheinrich, den Sohn Ruprechts und Elisabeths, übertragen. Große Bedeutung erlangte Ottheinrich, als er später auch pfälzischer Kurfürst wurde.
ABSTAND
Ludwig V.
Nach der Niederlage der Kurpfalz gegen König Maximilian im bayerischen Erbfolgekrieg, trat Ludwig V. (Kurfürst 1508-1544) - der Sohn und Nachfolger Philipps des Aufrichtigen - ein schweres Erbe an. Sein Ziel war es die Vormachtstellung der Kurpfalz im deutschen Südwesten wiederherzustellen, was mit Rückendeckung Frankreichs - dem Hauptgegner der Habsburger - gelang. Ferner konnte Ludwig V. 1518 triumphieren, als das Haus Habsburg sich gezwungen sah, die Kurstimme der pfälzischen Wittelsbacher für die Wahl Karls V. zum deutschen König teuer zu erkaufen. Um Ludwig V. dazu zu bewegen im Kurkolleg für Karl V. zu stimmen, belehnte Maximilian die Kurpfalz auf dem Ausgburger Reichstag mit diversen Regalien und Lehen. Dazu erhielt Ludwig V. 100.000 rheinische Gulden für die im bayerischen Erbfolgekrieg erlittenen Gebietsverluste und eine jährliche Pension von 6.000 Gulden.

Während sich Philipp als Förderer von Kunst und Wissenschaften sowie als Freund des Humanismus verstand, war Ludwig V. an diesen Dingen nicht interessiert. Sein Interesse galt vielmehr dem Ausbau des Heidelberger Schlosses. So gehen vor allem die Verteidigungsanlagen des Heidelberger Schlosses (insbesondere der Artilleriepark) auf das Bauprogramm Ludwigs V. zurück. Ferner entstanden unter Ludwig V. der nach ihm benannte Ludwigsbau, der Frauenzimmerbau, das Ökonomiegebäude und der Bibliotheksbau. Der bereits existente Ruprechtsbau wurde aufgestockt. Realisiert wurden diese Bauvorhaben durch Lorenz Lechler, der bereits unter Philipp dem Aufrichtigen als kurfürstlicher Baumeister tätig war, und unter Ludwig V. diese Position beibehielt.
ABSTAND
Die Heidelberger Disputation
Am 26. April 1518 wurde in Heidelberg, wo sich seit dem 13. Jh. ein Augustinerkloster befand, das Generalkapitel der Reformkongregation des Augustinerordens abgehalten. Dies war eine alle drei Jahre an jeweils anderen Orten durchgeführte Veranstaltung. Das Heidelberger Augustinerkloster hatte einige Beziehungen zum Lehrkörper der Universität. Und so tagte man auch nicht im Kloster selbst, sondern im Gebäude der Artistenfakultät, d. h. also in einem Universitätshörsaal. Neben den Augustinern war die sämtliche Professoren der Artisten und Theologen samt ihrer Studenten anwesend. D
ie Veranstaltung wurde von Martin Luther geleitet, der die Gelegenheit wahrnahm, seine 95 Thesen, die er ein halbes Jahr zuvor an der Schloßkirche zu Wittenberg angeschlagen haben soll, zu verteidigen. Das Streitgespräch, das als die Heidelberger Disputation in die Geschichte eingegangen ist, trug dazu bei, daß Luthers Ideen deutschlandweit unter Studierenden und Gelehrten schnell bekannt wurden. Einfluß auf die kurpfälzische Regierung erlangte die Heidelberger Disputation, als einige derer, die ihr in jungen Jahren als Studenten beigewohnt hatten, Räte am Hof des im folgenden vorzustellenden Kurfürsten Friedrich II. wurden. Durch sie wurde das Gedankengut, das Luther auf der Heidelberger Disputation vorgetragen hatte, bei Hof verbreitet, und wie im folgenden darzustellen sein wird, stand Friedrich II. der Reformation in der Tat nicht ganz abgeneigt gegenüber.


Friedrich II.
Der Nachfolger Ludwigs V. war Friedrich II. (Kurfürst 1544-1556). Das Leben Friedrichs II. ist durch seinen Biographen, Hubert Thomas Leodius, außerordentlich gut dokumentiert und überliefert. Leodius blieb in der Reformationszeit Katholik und verlor so das Vertrauen Friedrichs II., der zur evangelischen Seite neigte. Trotz seiner Sympathie für den lutherischen Protestantismus, verhielt sich Friedrich II. im Schmalkaldischen Krieg (1546-47) neutral, da anderenfalls eine Besetzung der Kurpfalz durch den Kaiser und die katholischen Reichsstände zu befürchten gewesen wäre. 1548 konnte Friedrich II. eine Versöhnung mit Kaiser Karl V. herbeiführen, indem er behauptete, nur auf Druck seiner Untertanen Sympathie für den Protestantismus gezeigt zu haben. Der Kaiser akzeptierte Friedrichs II. Entschuldigung nur zögerlich. Um diese Versöhnung zu ermöglichen, mußte Friedrich II. zum Katholizismus zurückkehren und um sie nicht zu gefährden, beim Katholizismus bleiben. Seine dem Protestantismus zugeneigten Untertanen, konnte er seitdem nicht länger gewähren lassen. Im Heidelberger Schloß wurde unter Friedrich II. der Gläserne Saalbau errichtet.


Kurfürst Friedrich II. (1)
(für vergrößertes
Bild hier klicken)


Kurfürst Friedrich II. (2)
(für vergrößertes
Bild hier klicken)

ABSTAND
Die Reformation in der Kurpfalz
Nach dem ersten Aufblühen des lutherischen Protestantismus unter Friedrich II., wurde die lutherische Reformation in der Kurpfalz von Ottheinrich (=Otto Heinrich, Kurfürst 1556-1559) durchgesetzt. Ottheinrich war Herr über das Fürstentum Pfalz-Neuburg, das als Resultat des bayerischen Erbfolgekriegs entstanden war. Als Herrscher des Fürstentums Neuburg hatte er bereits dort die Reformation durchgesetzt. Ottheinrich trieb das Fürstentum jedoch in den Bankrott. Neuburg wurde daraufhin vom Kaiser besetzt und Ottheinrich mußte in das kurpfälzische Stammland fliehen. Hier wartete er lange Jahre, bis er, als Nachfolger von Friedrich II., Kurfürst werden konnte. Währenddessen residierte er zeitweise in Weinheim.

Als Ottheinrich 1556 Kurfürst wurde, hatte er nur noch drei Jahre zu leben. Trotzdem wurde das pfälzische Kurfürstentum durch ihn entscheidend geprägt. Unter seiner Herrschaft entwickelte sich die Kurpfalz zu einem der Zentren des lutherischen Protestantismus in Deutschland. Ottheinrich setzte auch eine grundlegende Umstrukturierung der Universität Heidelberg durch. So wurden die universitären Dozentenstellen bisher vor allem aus Pfründen nach dem Finanzierungssystem der katholischen Kirche finanziert. Katholische Pfarrer wurden aus Spendeneinnahmen der Kirche bezahlt. Diesem Vorbild folgend bezahlte auch die Universität Heidelberg ihre Dozenten aus Spendeneinnahmen der Heiliggeistkirche. Deshalb waren, bis zu den von Ottheinrich durchgeführten Reformen, alle Dozenten der Universität Heidelberg offiziell auch Pfarrer an der Heiliggeistkirche. Wegen dieses Umstandes waren alle Dozenten der Universität Heidelberg katholisch, was die Reformation behinderte und für Ottheinrich daher völlig inakzeptabel war. Ottheinrich finanzierte die Universität daher durch die Säkularisierung von Kirchengütern und machte sie damit von der katholischen Kirche unabhängig. Die Professorenschaft wählte 1556 demonstrativ den katholischen Theologen Matthias Keuler zum Rektor der Universität. Dieser mußte jedoch, auf Befehl Ottheinrichs, sein Amt niederlegen. Nach Abschluß der Universitätsreform hatte die Universität Heidelberg keine Fakultät für katholische Theologie mehr.


Kurfürst Ottheinrich (1)
(für vergrößertes
Bild hier klicken)


Kurfürst Ottheinrich (2)
(für vergrößertes
Bild hier klicken)

ABSTAND
Unmittelbar nach Regierungsantritt ließ Kurfürst Ottheinrich auf dem Heidelberger Schloß mit der Errichtung des nach ihm benannten Ottheinrichsbaus beginnen, dessen Fertigstellung er jedoch nicht mehr erlebte.
ABSTAND
Mit Ottheinrich starb die ältere Kurlinie der pfälzischen Wittelsbacher, deren Ahnherr Kurfürst Ludwig III. gewesen war, aus. Mit Kurfürst Friedrich III. trat nun das Haus Pfalz-Simmern die Nachfolge an.

ABSTAND
ABSTAND
Literatur

Barner, Wilfried. Pioniere, Schulen, Pluralismus. Studien zu Geschichte und Theorie der Literaturwissenschaft. Tübingen, 1997 - darin: "'Studia toto amplectenda pectore': Peter Luders Heidelberger Programmrede vom Jahre 1456". S. 3-21.
Bloh
, Ute von. "Hostis oblivionis et fundamentum memoriae: Buchbesitz und Schriftgebrauch des Matthias von Kemnat", in: Wissen für den Hof. Der spätmittelalterliche Verschriftungsprozeß am Beispiel Heidelberg im 15. Jahrhundert, hg. v. Jan-Dirk Müller. München, 1994. S. 29-120.
Fuchs
, Franz; Probst, Veit. "Zur Geschichte des Heidelberger Frühhumanismus: Neue Briefe des Matthias von Kemnath (gestorben 1476)", in: Wolfenbüttler Renaissance-Mitteilungen, Bd. 15, 1991. S. 49-61.
Grosse
, Fritz. Image der Macht. Das Bild hinter den Bildern bei Ottheinrich von der Pfalz (1502-1559). Petersberg, 2003.

Hartfelder
, Karl. Studien zum pfälzischen Humanismus, hg. v. Wilhelm Kühlmann und Herrmann Wiegand. Heidelberg, 1993.

Holzberg, Niklas. "Olympia Morata und die Anfänge des Griechischen an der Universität Heidelberg", in: Heidelberger Jahrbücher, Bd. 31, 1987. S. 91-118.

Kettemann, Rudolf. "Peter Luder", in: Humanismus im deutschen Südwesten: Biographische Profile, hg. v. Paul Gerhard Schmidt. Sigmaringen, 1993. S. 13-34.
Köhl, Sascha. "Der Heidelberger Hof zur Zeit Friedrichs des Siegreichen", in: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt, Bd. 10, 2005/06. S. 151-176.
Kurze, Barbara. "Pfalzgraf Ottheinrich", in: Schwäbische Lebensbilder, Bd. 3, 1954. S. 244-268.
Kühlmann, Wilhelm und Wiegand, Hermann (Hg.). Parnassus Palatinus: Humanistische Dichtung in Heidelberg und der alten Kurpfalz. Heidelberg, 1989.
Kurze, Barbara. Kurfürst Ott Heinrich. Politik und Religion in der Pfalz 1556-1559 (=Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, Bd. 176). Gütersloh, 1956.
Müller, Jan-Dirk. "Sprecher-Ich und Schreiber-Ich. Zu Peter Luders Panegyricus auf Friedrich den Siegreichen, der Chronik des Mathias von Kemnat und der Pfälzer Reimchronik des Michel Beheim", in: Wissen für den Hof. Der spätmittelalterliche Verschriftungsprozeß am Beispiel Heidelberg im 15. Jahrhundert, hg. v. Jan-Dirk Müller. München, 1994. S. 289-321.
Poensgen, G. (Hg.) Ottheinrich, Gedenkschrift zur vierhundertjährigen Wiederkehr seiner Regierungszeit in der Kurpfalz 1556-1559 (=Sonderband der Zeitschrift Ruperto Carola), 1956.
Rädle, Herbert. Der Reichsfürst und sein Kaiser. Eine Lebensbeschreibung des Pfalzgrafen Friedrich II. (1482-1556) nach Hubert Leodius (=Neumarkter historische Beiträge, Band 1). Neumarkt, 1998.
Rolf, Bernhard. Kurpfalz, Südwestdeutschland und das Reich 1449-1476. Die Politik des Pfalzgrafen und Kurfürsten Friedrich des Siegreichen, Dissertation. Heidelberg, 1978.
Stackmann, Karl. "Die Fürstenlehre in der Chronik des Matthias von Kemnat: Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte der spätmittelalterlichen Spruchdichtung", in: Karl Stackmann: Kleine Schriften,
hg. v. Jens Haustein. Göttingen, 1997. S. 325-340.
Telle, Joachim. "Kilian, Ottheinrich und Paracelsus", in: Heidelberger Jahrbücher, Bd. 18, 1974. S. 37-49.

Tournoy, Gilbert. "Humanistische Historiographie in Heidelberg: Hubertus Thomas Leodius", in: Heidelberger Jahrbücher, Bd. 38, 1994. S. 201-214.
Veit, Probst. "Machtpolitik und Mäzenatentum: Friedrich der Siegreiche von der Pfalz als Wegbegleiter des deutschen Frühhumanismus", in: Mannheimer Geschichtsblätter, Bd. 3, 1996. S. 153-173.
Wiegand, Hermann. Der zweigipflige Musenberg. Studien zum Humanismus in der Kurpfalz. Ubstadt-Weiher, 2000.

 

Thomas Juelch - Heidelberg und die Kurpfalz

Zurück zur Startseite

Zurück zu "Geschichte Heidelbergs und der Kurpfalz"