Joseph von Eichendorff
(1788-1857)

Hintergrundinformationen


Einzug in Heidelberg
(1855)


Doch da sie jetzt um einen Fels sich wandten,
Tat's plötzlich einen wunderbaren Schein,
Kirchtürme, Fluren, Fels und Wipfel brannten,
Und weit ins farbentrunkne Land hinein
Schlang sich ein Feuerstrom mit Funkensprühen,
Als sollt' die Welt in Himmelsloh'n verglühen.

Geblendet sahen zwischen Rebenhügeln
Sie eine Stadt, von Blüten wie verschneit,
Im klaren Strome träumerisch sich spiegeln,
Aus lichtdurchblitzter Waldeseinsamkeit
Hoch über Fluß und Stadt und Weilern
Die Trümmer eines alten Schlosses pfeilern.

Und wie sie an das Tor der Stadt gelangen,
Die Brunnen rauschend in die Gassen gehn,
Und Hirten ferne von den Bergen sangen,
Und fröhliche Gesell'n beim duft'gen Wehn
Der Gärten rings in wunderlichen Trachten
Vor ihrer Liebsten Türen Ständchen brachten.

Der Wald indes rauscht von uralten Sagen,
Und von des Schlosses Zinnen über'm Fluß,
Die wie aus andrer Zeit herüberragen,
Spricht abendlich der Burggeist seinen Gruß,
Die Stadt gesegnend seit viel hundert Jahren
Und Schiff und Schiffer die vorüberfahren.

In dieses Märchens Bann verzaubert stehen
Die Wandrer still -- Zieh' weiter wer da kann!
So hatten sie's in Träumen wohl gesehen,
Und jeden blickt's wie seine Heimat an,
Und keinem hat der Zauber noch gelogen,
Denn Heidelberg war's, wo sie eingezogen.


Joseph von Eichendorff


Eichendorff-Gedenkstein auf der Heidelberger Schloßterasse



Hintergrundinformation

Als Joseph von Eichendorff in Heidelberg Jura studierte, traf er mit diversen anderen Studenten zusammen, die ebenfalls nicht nur wegen des Studiums nach Heidelberg kamen, sondern auch und vor allem durch die romantische Atmosphere, die in der Stadt herrschte, angezogen wurden. Innerhalb der so zustande gekommenen Freundeskreise inspirierte man sich gegenseitig zu einer literarischen Tätigkeit, deren Produkte die Heidelberger Romantik ausmachen. Eichendorff gehörte dem eleusische Bund, einem Heidelberger Dichterkreis innerhalb der romantischen Bewegung, an.

Als sich Eichendorff Jahrzehnte später an die schöne Zeit in Heidelberg zurückerinnerte, entstand das nebenstehende Gedicht, in dem die romantische Wertschätzung Heidelbergs wortgewaltig zum Ausdruck kommt. In Formulierungen wie "Der Wald indes rauscht von uralten Sagen" klingt deutlich der historisierende Charakter an, der für die Heidelberger Romantik kennzeichnend war. Durch die Worte "Hoch über Fluß und Stadt und Weilern
Die Trümmer eines alten Schlosses pfeilern" wird ferner das Interesse an der Schloßruine angedeutet, das so viele romantische Enthusiasten nach Heidelberg lockte.

Die Bedeutung Eichendorffs für die Heidelberger Romantik wird auch an dem oben abgebildeten Gedenkstein deutlich, den man ihm auf der Schloßterasse gesetzt hat.

Literatur

Debon, Günther. Das Heidelberger Jahr Joseph von Eichendorffs. Heidelberg, 1991.
Debon, Günther. Der Weingott und die Blaue Blume. Heidelberg, 1995. S. 124-145.

Franke
, Sabine. "Und jeden blickt's wie seine Heimat an", in: Heidelberg im Gedicht, hg. v. Helmuth Kiesel. Frankfurt a. M, 1996. S. 71-78.

Pfaff
, Peter. "Idylle und Aussicht. Eichendorffs Heidelberg", in: Heidelberg im poetischen Augenblick. Die Stadt in Dichtung und bildender Kunst, hg. v. Manger, Klaus und Hofe, Gerhard vom. Heidelberg, 1987. S. 153-174.


Thomas Juelch - Heidelberg und die Kurpfalz

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