Friedrich Hölderlin
(1770-1843)

Hintergrundinformationen


Heidelberg (1800)

Lange lieb' ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,
Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,
Du, der Vaterlandsstädte
Ländlichschönste, soviel ich sah.

Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,
Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
Leicht und kräftig die Brüke,
Die von Wagen und Menschen tönt.

Wie von Göttern gesandt, fesselt' ein Zauber einst
Auf die Brüke mich an, da ich vorüber gieng,
Und herein in die Berge
Mir die reizende Ferne schien,

Und der Jüngling, der Strom fort in die Ebene zog,
Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,
Liebend unterzugehen,
In die Fluthen der Zeit sich wirft.

Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen
Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn
All' ihm nach, und es bebte
Aus den Wellen ihr lieblich Bild.

Aber schwer in das Thal hieng die gigantische,
Schiksaalskundige Burg nieder bis auf den Grund,
Von Wettern zerissen;
Doch die ewige Sonne goß

Ihr verjüngendes Licht über das alternde
Riesenbild, und umher grünte lebendiger
Epheu; freundliche Wälder
Rauschten über die Burg herab.

Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Thal,
An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold,
Deine fröhlichen Gassen
Unter duftenden Gärten ruhn.


Friedrich Hölderlin



Hintergrund
information

Friedrich Hölderlin wurde zu seiner Heidelberg-Ode durch Besuche in Heidelberg inspiriert. Als das Gedicht 1800 entstand, war die Alte Brücke gerade fertiggestellt. Auf Grund der so gegebenen Aktualität steht sie im Mittelpunkt des Gedichts. Die häufig vorkommende Du-Anrede bezieht sich immer auf die Göttin Minerva (lat. für Athene), deren Standbild auf der Brücke steht. Hölderlin sieht dieses auf Veranlassung von Kurfürst Carl Theodor errichtete Standbild als Symbol für Heidelberg, so daß mit Minerva immer auch die Stadt angesprochen ist.

Hölderlins Heidelberg-Ode gilt als Vorbote der verherrlichenden Beschreibung der Stadt in der Lyrik der Romantik.

Literatur

Buhr, Gerhard. "Zu Hölderlins Ode Heidelberg", in: Heidelberg im poetischen Augenblick. Die Stadt in Dichtung und bildender Kunst, hg. v. Manger, Klaus und Hofe, Gerhard vom. Heidelberg, 1987. S. 83-120.
Fink
, Oliver. "Memoires vom Glück" Wie der Erinnerungsort Alt-Heidelberg erfunden, gepflegt und bekämpft wurde. Heidelberg, 2002. (zu Hölderlin: S. 41-43)

Debon
, Günther. Der Weingott und die Blaue Blume. Heidelberg, 1995. S. 35-39.

Hahn, Ulla. "Unvergängliche Vollkommenheit", in: Heidelberg im Gedicht, hg. v. Helmuth Kiesel. Frankfurt a. M, 1996. S. 33-38.
Hamlin, Cyrus. "Hölderlins 'Heidelberg' als poetischer Mythos", in: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft, Bd. 14, 1970. S. 437-455.


Thomas Juelch - Heidelberg und die Kurpfalz

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