X. Bemühungen zur Wiederherstellung der Kurpfalz

Die seit dem Reichsdeputationshauptschluß getrennten kurpfälzer Territorien waren weiterhin durch ein historisch bedingtes Zusammengehörigkeitsgefühl miteinander verbunden. Während im Deutschen Bund und im Zweiten Deutschen Reich eine Zusammenlegung der kurpfälzer Territorien unmöglich erschein, gab es in der Weimarer Republik wieder Hoffnung. So enthielt die Verfassung der Weimarer Republik in Artikel 18 eine Reihe von Grundsätzen für eine mögliche und umfassende Neugliederung des Weimarer Staatsgebietes. Letztendlich kam es allerdings doch nur zu kleineren Grenzkorrekturen. Dennoch ist in der Zeit der Weimarer Republik die Neugliederungsfrage immer wieder heftig diskutiert worden, nicht zuletzt in Hinblick auf die Wiedervereinigung der getrennten Teile der Kurpfalz. Hierzu präsentierte der Mannheimer Historiker und Geograph Walter Tuckermann 1920 einen ersten Plan, in dem er die Angliederung der linksrheinischen Pfalz an das Land Baden vorschlug. Als in der nationalsozialistischen Ära der bayerische Regierungsbezirk Pfalz mit dem Saargebiet und Lothringen 1940 zum Reichsgau Westmark vereinigt wurde, stagnierten die Neugliederungsbemühungen. Erst der Zusammenbruch von 1945 ließ sie wieder neu aufleben, wobei man nun allerdings an die Vorarbeiten und Diskussionen der Weimarer Zeit anknüpfen konnte. Nach der völligen Zerschlagung der bisherigen staatlichen Ordnung schien es angezeigt, die Gunst der Stunde Null zu nutzen. 1945 trat der Mannheimer Bürgermeister Fritz Cahn-Garnier mit der Denkschrift "Kurpfalz" an die Öffentlichkeit, die als Kurpfalzplan für Schlagzeilen sorgte. Cahn-Garniers Forderung ist in den Schlußworten seiner Denkschrift zusammengefaßt: "Man nütze den Zeitpunkt der Um- und Neugestaltung und schaffe ein lebensfähiges Gebilde. Man beseitige die Trennung zwischen den beiden Ufern des Rheins und vereinige Nordbaden, Rheinpfalz, Rheinhessen und die Saar zu einem Ganzen, der Kurpfalz". Einen engagierten Mitstreiter bei diesen Bemühungen fand Cahn-Garnier in seinem Nachfolger im Amt des Mannheimer Oberbürgermeisters, Hermann Heimerich, der diese Funktion bereits von 1928 bis 1933 bekleidet hatte. Unmittelbar nach dem Krieg war das linksrheinische Gebiet Südwestdeutschlands in amerikanischer Hand. Die Amerikaner räumten jedoch die linksrheinischen Gebiete, da diese Teil der französischen Besatzungszone wurden. Damit waren die links- und rechtsrheinischen Gebiete der Kurpfalz durch eine Zonengrenze voneinander getrennt, was gleichbedeutend mit hermetischer Abriegelung war. Ein weiterer, die Trennung zementierender Vorgang, war die Gründung des Landes Rheinland-Pfalz, die durch eine Verordnung der französischen Militärregierung erfolgte. Im rheinland-pfälzischen Landtag herrschte parteiübergreifender Konsens bezüglich der Korrekturbedürftigkeit der Landesgrenzen. Am 1. Juli 1948 räumten die Alliierten den deutschen Ministerpräsidenten in dem Frankfurter Dokument Nr. 2 das Recht ein, Vorschläge für eine Änderung der Ländergrenzen auszuarbeiten. Für die kurpfälzische Widervereinigungsbewegung war dies das Signal zum Handeln. Die Initialzündung für eine kurpfälzische Initiative kam aus Mannheim. Am 23. Juli 1948 gründete Heimerich den Rechtsrheinischen Aktionsausschuß für die Wiedervereinigung der rechts und links des Rheins gelegenen Gebiete der ehemaligen Kurpfalz. Zugleich suchte man nach Kontakt zu Gleichgesinnten in der linksrheinischen Pfalz. Erste Frucht dieser Bemühung war eine von 46 zumeist linksrheinischen Politikern unterzeichnete Resolution an die Länderkonferenz. Sie enthielt die Forderung, die linksrheinische Pfalz mit rechtsrheinischem Gebiet zu einem nordbadisch-pfälzischen Verwaltungsbezirk zu vereinigen, der Bestandteil des Landes Baden-Württemberg sein sollte. Doch die Ministerpräsidenten schreckten vor der Auflösung des Landes Rheinland-Pfalz zurück. Offenbar befürchteten manche unter ihnen, daß eine Auflösung des Landes Rheinland-Pfalz zu Hause Schule machen könnte. So befürchtete z. B. Niedersachsen Oldenburg zu verlieren, Hamburg hatte Sorge dem benachbarten Schleswig-Holstein eingegliedert zu werden, und Bremen sah sich schon als Teil Niedersachsens. Es kam daher nicht zur Wiederauferstehung der Kurpfalz, die den Kurpfälzen bis zum heutigen Tage verwehrt bleibt.
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Literatur

Gembries, Helmut. Verwaltung und Politik in der besetzten Pfalz zur Zeit der Weimarer Republik. Kaiserslautern, 1992.
Hepp
, Gerd. "Wiederherstellung der alten Kurpfalz?: Zur Frage der Revision der Ländergrenzen im deutschen Südwesten zwischen 1945 und 1956", in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Bd. 137, 1989.
S. 414-427.

Kreutz, Wilhelm und Scherer, Karl (Hg.). Die Pfalz unter französischer Besetzung (1918/19-1930). Kaiserslautern, 1999.
Rothenberger, Karl-Heinz. "Kraftfahrzeugverkehr in der Pfalz. Die 1920er und 1930er Jahre", in: Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz, Bd. 98, 2000. S. 345-383.
Schwarzmüller, Theo; Garthe, Michael (Hg.). Die Pfalz im 20. Jahrhundert. Zwickau, 1999.
Thalmann, Heinrich. Die Pfalz im Ersten Weltkrieg. Der ehemalige bayerische Regierungskreis bis zur Besetzung Anfang Dezember 1918. Kaiserslautern, 1990.
Zieher, Jürgen. "'Der Rhein darf keine Grenze sein!' - Die Kurpfalz-Frage 1945-1976", in: Mannheimer Geschichtsblätter, Bd. 3, 1996. S. 415-454.

 

Thomas Juelch - Heidelberg und die Kurpfalz

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