Schwetzinger
Schloß: |
Der Moscheebau, ein lange geplantes Bauvorhaben, wurde erst 1779, d. h. nach dem Umzug des Hofes nach München, ernsthaft in Angriff genommen. Architekt war auch hier Pigage. Seine Moschee hat jedoch relativ wenig mit authentischen Gotteshäusern des Islam gemein. Beispielsweise fehlen liturgisch notwendige Einrichtungen wie die nach Mekka gerichtete Mihrab-Nische, die Predigtkanzel (Minbar) und der Brunnen zur Reinigung (Sebil). Man kann davon ausgehen, daß Pigage von diesen Dingen durchaus Kenntnis hatte und daß er sie absichtlich weglies. Offenbar wollte Pigage nicht wirklich ein islamisches Gotteshaus errichten. Vielmehr versammelte er unter der Großbauform "Moschee" Architekturteile, die verschiedenen sakralen Architekturformen und ganz konkret verschiedenen sakralen Bauten entlehnt sind: Der Kuppelbau hat offenbar die St. Paul's Cathedral in London zum Vorbild. Die Fassade mit den seitlichen, freigestellten Türmen erinnert deutlich an die Karlskirche in Wien. Der Kreuzgang simuliert eine Kartause (=Kloster des Kartäuserordens). Was veranlaßte Pigage also dazu, solch scheinbar widersprüchliche Architekturelemente in einem Gebäude zu vereinigen? In der Literatur wurde häufig die Vermutung geäußert, man habe die Moschee im Schwetzinger Schloßgarten errichtet, da im 18. Jh. alles Orientalische als exotisch empfunden wurde und daher sehr in Mode war. Diese Sichtweise ist jedoch zu oberflächlich und greift zu kurz. Viele Zeitgenossen, wie z. B. Voltaire der ja mit Karl Theodor befreundet war, hatten ein tieferes Interesse am Orient. Voltaire pries Konstantinobel als den einzigen Ort der Welt, an dem alle drei monotheistischen Religionen nicht nur frei ausgeübt werden durften, sondern auch unter dem persönlichen Schutz des Potentaten (d. h. des Sultans) standen. In der Philosophie Voltaires mündet alle Religiosität in ein theistisches System, das die einzelnen Religionen überwindet und in einem allumfassenden Humanitätsideal zusammenfaßt. Lessing hatte in seinem Drama Nathan der Weise in ähnlicher Absicht die Idee einer Verwandtschaft der monotheistischen Religionen artikuliert. Dieser intellektuelle Hintergrund erklärt die Zusammenführung christlicher und islamischer Architekturelemente in der Moschee im Schwetzinger Schloßgarten. Es sollte kein authentisches islamisches Gotteshaus errichtet werden, sondern vielmehr ein Tempel philosophischer Weisheit im Sinne Voltaires. Wie wichtig Karl Theodor dies war, sieht man daran, daß er Unsummen in dieses Bauvorhaben investierte. |
|
Thomas Juelch - Heidelberg und die Kurpfalz |