"Schon die Herzogin
von Orleans, die bekannte Lieselotte
der Pfälzer, schrieb einmal in ihrer originellen Art:
'Zu Heydelberg wurdt
ein groß geschrey von einem gespenst, so alle nacht mit feurigen
augen und großem geplärr durch die gassen ging. S.G. der churfürst,
unser herr vatter, ließ dem gespenst aufpaßen und fangen;
da ertappte man drei oder vier studenten, so franzosen wahren. Einer,
so Béauregard hieß undt deß general Balthasars schwager
war, der war daß kalb undt die andern da, ich glaube, monsieur Dangeau,
bruder Coursillon, so jetzt abbé ist, zu der mustq half.'
Ein von Nadler verfaßtes Gedicht, "'s
Keddekalb in Heidelberg", hat ungefähr folgenden Inhalt:
Vor etwa 500 Jahren war die Pfaffengasse
in Heidelberg das Quartier der Chorherren. Öfter kamen sie zusammen
und zechten dann zuweilen auch tüchtig. So waren sie wieder einmal
versammelt bis tief in die Nacht hinein. Da rühmte sich ein fremder
Junker, daß es ihm ein Leichtes sein werde, die Herren nachts um
12 Uhr von ihren Räuschen zu befreien. Alsbald kam ein kohlschwarzes,
gesatteltes und gezäumtes Kalb mit zwei feurigen Augen herangelaufen.
Es brüllte so laut wie zehn Stiere, bäumte sich wie ein Pferd
und rasselte fürchterlich mit seinen zwölf Ketten, die es am
Halse hängen hatte. Jeder der Zecher faßte einen Ring am Kettenende,
und einer schwang sich in den Sattel. Das Kalb raste nun in der Dunkelheit,
laut brüllend und mit seinen Ketten klirrend durch eine Gasse, die
seitdem die Kettengasse heißt, den Bergen und Wäldern zu. Elf
der Zecher wurden nüchtern, der zwölfte aber mußte das
Kalb von 12 bis 1 Uhr nachts weiter reiten, und wenn ihn niemand erlöste,
würde sein Ritt bis zum jüngsten Tage fortdauern.
Die Sage vom Kettenkalb rührt wohl daher, daß die damalige
abergläubische Bevölkerung in den engen und schmalen Gassen,
die an und für sich finster waren und beim Dunkelwerden unbeleuchtet
blieben, das Gerassel der Ketten und das dumpfe Aufstoßen des Eimers
in der Tiefe des Brunnens mit dem Gebrüll eines mit Ketten behängten
Kalbes in Verbindung brachten."
(Bernhard, S.
22 f.)
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