V. Die Kurpfalz im und nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697)
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Ursachen und Verlauf des Kriegs

Aus sicherheitspolitischen Gründen war Karl Ludwig ständig um ein gutes Verhältnis zu Frankreich bemüht. Um die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Kurpfalz und Frankreich zu festigen, verheiratete Karl Ludwig sogar seine Tochter Elisabeth Charlotte (Liselotte von der Pfalz) mit dem Bruder des französischen Königs Ludwig XIV. Leider wurde mit dieser Maßnahme jedoch nicht die Stabilisierung der diplomatischen Beziehungen, sondern das genaue Gegenteil erreicht. So leitete Ludwig XIV., als 1685 die Simmersche Kurlinie der pfälzischen Wittelsbacher ausstarb, von der Ehe seines Bruders mit der Tochter Karl Ludwigs erbrechtliche Ansprüche bezüglich der Kurpfalz ab. Als diesen Ansprüchen nicht nachgegeben wurde, kam es zum Pfälzischen Erbfolgekrieg, in dem das Territorium der Kurpfalz stark zerstört wurde. Der Allianz, die sich gegen Louis XIV. gebildet hatte, gelang es letztendlich die französischen Truppen aus der Kurpfalz zu vertreiben.

Als die protestantische Simmersche Kurlinie der pfälzischen Wittelsbacher 1685 ausstarb, erbte die in Düsseldorf residierende Seitenlinie Pfalz-Neuburg die Kurpfalz. D
üsseldorf wurde damit offiziell kurpfälzische Hauptstadt. Während des Pfälzischen Erbfolgekrieges befand sich auch der kurpfälzische Hofstaat in Düsseldorf, womit er der unmittelbaren Kriegsgefahr entging. Nach Ende des Pfälzischen Erbfolgekriegs wurde, unter Johann Wilhelm (Kurfürst 1690-1716), der Verwaltungsaparat nach Weinheim - und damit zurück auf angestammten kurpfälzischen Boden - verlegt. Auch der Kurfürst selbst kam nach Weinheim und residierte für einige Zeit im Weinheimer Schloß, kehrte dann jedoch wieder nach Düsseldorf zurück. Eine Rückkehr nach Heidelberg konnte wegen der starken Zerstörung der Stadt noch nicht in Betracht kommen.
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Liselotte
von der Pfalz
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Liselotte
von der Pfalz
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Heidelberger Quartier
der Düsseldorfer
Nebenlinie
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Die Linie Pfalz-Neuburg war im 16. Jh. von Ottheinrich begründet worden, der das neuburgische Territorium zum Protestantismus geführt hatte. Im 17. Jh. konvertierte Pfalz-Neuburg zum Katholizismus, um hierdurch, im Streit um das Erbe der Fürstentümer Jülich, Klewe und Berg, den Kaiser für sich gewinnen zu können. Pfalz-Neuburg hatte mit dieser Strategie Erfolg, so daß sich der Hauptsitz der Linie von Neuburg nach Düsseldorf verlagerte. Als Pfalz-Neuburg nun von Düsseldorf aus auf das pfälzische Kernland Zugriff nahm, wurde in der bisher kalvinistischen Kurpfalz die Gegenreformation eingeführt. Da dies gegen den Westfälischen Frieden (1648) verstieß, bedurfte die Einführung der Gegenreformation in der Kurpfalz einer juristischen Rechtfertigung. Als der Pfälzische Erbfolgekrieg 1697 mit dem Frieden von Rijswijk endete, wurde ein Friedensvertrag formuliert, der eine solche Rechtfertigung hergab. So ließ Kurfürst Johann Wilhelm in geheimer Absprache mit den Franzosen in Artikel 4 des Friedensvertrags einen Zusatz verankern, nach dem die Rückgabe der französisch besetzten Gebiete unter der Bedingung erfolge, daß dort der Katholizismus erhalten bliebe (=Rijswijker Klausel). Kurfürst Johann Wilhelm konnte daher im folgenden argumentieren, daß die Gegenreformation in der Kurpfalz erforderlich sei, da Frankreich das Territorium nur unter der Bedingung der Beibehaltung des Katholizismus zurückgegeben habe.

Während der französischen Besetzung der Kurpfalz waren viele Professoren aus Heidelberg geflohen. Obwohl die Universität offiziell nicht verlegt worden war, richtete Johann Friedrich Fabricius (1632-1696), der in Heidelberg eine Professur für Theologie innehatte, in Frankfurt a. M. eine Auffangstelle für flüchtige Heidelberger Professoren
ein. Der Lehrbetrieb der Universität Heidelberg wurde im Frankfurter Exil weitergeführt. Nach dem Ende des Pfälzischen Erbfolgekriegs siedelte die Universität 1698 zunächst
nach Weinheim über. Erst 1700 kehrte sie - unter Johann Wilhelm - nach
Heidelberg zurück.

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Der Wiederaufbau Heidelbergs nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg
Kurfürst Johann Wilhelm nahm den Wiederaufbau Heidelbergs nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg - von Düsseldorf aus - mit großem Ehrgeiz in Angriff.
Das wichtigste Bauvorhaben seiner Regierungszeit war das Heidelberger Rathaus. Der Nachfolger Johann Wilhelms war Karl Philipp (Kurfürst 1716-1742). Unter ihm kehrte 1718 der kurpfälzische Hofstaat nach Heidelberg zurück. (Das Haus Pfalz-Neuburg verlagerte seinen Schwerpunkt damit in die ererbte Kurpfalz, die - verglichen mit der Düsseldorfer Heimat dieser Seitenlinie - die bessere Macht- und Herrschaftsbasis bot.) Erst unter Karl Philipp wurde daher damit begonnen, das Heidelberger Schloß - nach den Zerstörungen des Pfälzischen Erbfolgekriegs - wieder bewohnbar zu machen. 1719 verlegte Karl Philipp die kurpfälzische Residenz jedoch nach Mannheim (bzw. zunächst übergangsweise nach Schwetzingen) und hatte von da an kein Interesse mehr an der Restaurierung der Heidelberger Schloßruine.

Mit dem Übergang der Kurwürde an die katholische Seitenlinie der pfälzischen Wittelsbacher, erhielt der Jesuitenorden die Chance, dauerhaft in Heidelberg Fuß zu fassen. Bereits als die Kurpfalz während des Dreißigjährigen Krieges durch Maximilian I. von Bayern besetzt war, waren die Jesuiten in der Stadt gewesen. Mit der Befreiung Heidelbergs durch Gustav II. Adolf von Schweden waren die Jesuiten dann jedoch wieder vertrieben worden. Als erster Kurfürst der katholischen Seitenlinie der pfälzischen Wittelsbacher, richtete Johann Wilhelm ein Jesuitenkolleg in Heidelberg ein, das im folgenden von Karl Philipp weiter gefördert wurde. Die Jesuiten errichteten im folgenden diverse weitere prachtvolle Braockbauten in Heidelberg, zu denen vor allem die Jesuitenkirche, das Jesuitengymnasium und das Carolinum
zählten. Durch diese und andere Bauten entstand das Jesuitenviertel der Heidelberger Altstadt.


Kurfürst Johann
Wilhelm
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Kurfürst Johann
Wilhelm
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Reiterstandbild
Johann Wilhelms
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Nachdem die Kurpfalz und andere Teile des Reichs im Pfälzischen Erbfolgekrieg stark zerstört worden waren, wanderten viele an der italienischen Baukunst geschulte Architekten aus dem Süden in die betroffenen Gebiete Nord- und Mitteldeutschlands, um diese kunstvoll wieder aufzubauen. In die Kurpfalz kamen vor allem der aus Venedig
stammende Matteo Alberti, der Oberbaudirektor von Kurfürst Johann Wilhelm war, Johann Jakob Rischer sowie, etwas später, Sigismund Zeller. Des weiteren hatte der aus Mainz stammende Johann Adam Breuning am Wiederaufbau Heidelbergs wesentlichen Anteil.

Mit diesen Baumeistern kam der Barock in die Kurpfalz. Die Blüte, die der Barock nun in Heidelberg erlebte, hängt mit dem Konfessionswechsel zusammen, zu dem es mit der Nachfolge des Hauses Pfalz-Neuburg kam. Der Barock war der Baustil der Gegenreformation. Mit seinen mannigfaltigen Schnörkeln und Zierelementen wurde er als Gegenprogramm zur programmatischen Schlichtheit der kalvinistischen Architektur entworfen. Als Beispiel für den Baustil kalvinistischer Prägung findet sich in Heidelberg das Reformierten Spital, dessen Fassade betont schmucklos gehalten ist. Der barocke Baustil setzt sich hiervon jedoch nicht nur durch die extensive Verwendung von Zierelementen, sondern auch durch das Bildprogramm der Bauwerke ab. So sind an den Außenwänden diverser Heidelberger Barockpalais Madonnenfiguren angebracht. Als Beispiel mögen hier Haus Lörinck und Haus Meder dienen. Ferner kommt der durch den Barockstil artikulierte gegenreformatorische Ehrgeiz des Hauses Pfalz-Neuburg auch im Muttergottesbrunnen auf dem Heidelberger Kornmarkt zum Ausdruck. Vom lutherischen Protestantismus wurde der barocke Baustil übernommen. So weist auch die Providenzkirche, als die lutherische Kirche Heidelbergs, barocke Gestaltungsmerkmale auf. Insbesondere in der Kurpfalz war der unmittelbare Gegner, mit dem sich die Gegenreformation auseinanderzusetzen hatte, weniger der lutherische Protestantismus, sondern vielmehr der Kalvinismus, der bis 1688 Konfession der Kurpfalz gewesen war.
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Literatur

Creese, Anna E. S. The Letters of Elisabeth, Princess Palatine: A Seventeenth Century Correspondence, Dissertation. Princeton, 1993.
Kühn-Steinhausen, Hermine. Johann Wilhelm, Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Jülich-Berg (1658-1716). Düsseldorf, 1958.
Krisinger, J. "Religionspolitik des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz", in: Düsseldorfer Jahrbuch, Bd. 47, 1955. S. 42-125.
Nye, Andrea. The Princess and the Philosopher: Letters of Elisabeth of the Palatine to René Descartes. Lanham, 1999.
Raumer, Kurt von. Die Zerstörung der Pfalz von 1689 im Zusammenhang der französischen Rheinpolitik. Bad Neustadt a. d. Saale, 1982.
Schaab, Meinrad. "Die Wiederherstellung des Katholizismus in der Kurpfalz im 17. und 18. Jahrhundert", in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, Bd. 114, 1966. S. 147-205.

Weisert, Hermann. "Zur Geschichte der Universität Heidelberg 1688-1715", in: Ruperto Carola. Bd. 29, 1977.
S. 45-64.

 

Thomas Juelch - Heidelberg und die Kurpfalz

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