III. Der Kalvinismus in der Kurpfalz
ABSTAND
Unter Friedrich III. dem Frommen (Kurfürst 1559-1576), dem ersten Kurfürsten des Hauses Pfalz-Simmern, trat die Kurpfalz vom lutherischen Protestantismus zum Kalvinismus über. Nach dem Vorbild Calvins wandtelte Friedrich III. die Kurpfalz in einen christlichen Polizeistaat um, in der die Bevölkerung nach strengen Regeln zu leben hatte. Beispielsweise mußte für das Fluchen Strafe gezahlt werden. Da die strafende Obrigkeit nicht allgegenwärtig sein konnte, wurde von Wirtshausgästen erwartet, daß sie die Fluchgelder von sich aus zahlten. Die Wirte waren jeweils dafür verantwortlich, daß die Fluchgeldbüchsen ihren Zweck erfüllten. Des weiteren wurde unter Friedrich III. das biblische Gebot "Du sollst dir kein Bildnis machen" sehr streng ausgelegt. Es kam daher in den Kirchen des Landes zu einem Bildersturm, der die diesbezüglichen Aktivitäten der Lutheraner weit übertraf: Heiligenfiguren und alles Andere, was Glaubenswahrheiten bildlich darstellte, wurde aus den Kirchen entfernt.

Im Rahmen der Gegenreformation hatte Kaiser Maximilian II. von Habsburg für eine Eindämmung des Protestantismus im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zu sorgen und den Katholizismus in möglichst allen Fürstentümern des Reichs durchzusetzen. Maximilian II. berief zu diesem Zweck den Augsburger Reichstag (1566) ein. Daß Maximilian II. den Reichstag in Augsburg stattfinden ließ, impliziert den Hinweis darauf, daß die hier zur Debatte stehende Hinwendung der Kurpfalz zum Kalvinismus, einen Verstoß gegen den Augsburger Religionsfrieden von 1555 darstellte. Friedrich III. konnte dem Kaiser jedoch relativ stark gegenübertreten, da die lutherischen Reichsstände (vor allem Sachsen und Württemberg) zu ihm hielten. Auf Grund dieser Umstände konnte der Kaiser seine religionspolitischen Ziele auf dem Augsburger Reichstag nicht durchsetzen. Die Kurpfalz blieb also weiterhin kalvinistisch. Friedrichs III. Hauptinstrument zur Verbreitung der kalvinistischen Lehre war die Universität Heidelberg. Christopher Burchill schreibt: "Noch unter Friedrich begann die Universität sich als ein 'zweites Wittenberg' zu verstehen, als die Keimzelle und Pflanzstätte für eine weitreichende Erneuerung der Kirche". Die Universität Heidelberg gewann durch ihre kalvinistische Orientierung ungemein an Bedeutung. So stellte sie, als vor Leiden und Genf bedeutendste reformierte (d. h. kalvinistische) Hochschule des Reiches, einen anziehenden Mittelpunkt für kalvinistisch orientierte Studenten dar, die aus ganz Deutschland nach Heidelberg strömten, so daß sich die Universität zu dieser Zeit erstaunlich schnell vergrößern konnte.

Die Bedeutung, die die Universität Heidelberg für die reformierte Kirche hatte, erkennt man daran, daß - mit dem "Heidelberger Katechismus" (1563) - deren wichtigste Bekenntnisschrift in Heidelberg entstand. Das Werk entstand auf Veranlassung von Friedrich III.. Autoren waren die Pfälzer Theologen Caspar Olevianus (1536-1587) und Zacharias Ursinus (1534-1583). Mit dem "Heidelberger Katechismus" schufen sie nicht nur die Grundlage der kurpfälzischen Theologie, sondern auch ein bis heute gültiges Glaubensbekenntnis für den Kalvinismus in aller Welt. Der "Heidelberger Katechismus" zählt zu den weltweit meistgedruckten Büchern.


Kurfürst Friedrich III.
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Kurfürst Friedrich III.
mit seinen beiden
Gemahlinen
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Die Universität
Heidelberg im 16. Jh.
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Caspar Olevianus
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Ein bedeutender Anhänger des kurpfälzischen Kalvinismus war der Kirchenhistoriker Heinrich Alting (1583-1644). Er sah seine Lebensaufgabe darin, die Hinwendung der Kurpfalz zum Kalvinismus apologetisch aufzuarbeiten. Den Mittelpunkt seines Hauptwerkes "Die pfälzische Kirchengeschichte" bildet die Regierungszeit Friedrichs III.. Dessen Taten werden von Alting tendenziös positiv dargestellt und verherrlicht.
ABSTAND
Friedrich III. hatte testamentarisch verfügt, daß der Kalvinismus auch nach seinem Tod in der Kurpfalz beizubehalten sei. Sein Sohn Ludwig erbte den Hauptteil der Kurpfalz einschließlich Heidelbergs. Ein weiterer Sohn Friedrichs III. namens Johann Casimir erbte einen kleineren Teil der Pfalz, der als Fürstentum Pfalz-Lautern von der Kurpfalz unabhängig wurde. (Das Fürstentum Pfalz-Lautern bestand im Wesentlichen aus einem größeren rheinischen Teil um Neustadt und Kaiserslautern.) Ludwig, der 1576 als Ludwig VI. die Nachfolge seines Vaters antrat, verstieß jedoch gegen die testamentarischen Bestimmungen seines Vaters und trat zum lutherischen Protestantismus über. Die Bitte der Universität, den Kalvinismus beibehalten zu dürfen, blieb unbeachtet. An der Universität wurden im folgenden diverse Säuberungsmaßnahmen zur religiösen Umorientierung durchgeführt. Die theologische Fakultät wurde geschlossen und alle Professoren der Universität Heidelberg, die nicht zum lutherischen Protestantismus übertreten wollten, wurden entlassen. Für diese vertriebenen Professoren gründete Johann Casimir in seinem Fürstentum Kurpfalz-Lautern 1578 eine Ersatzhochschule in Neustadt an der Weinstraße, die nach ihrem Gründer 'Collegium Casimirianum' genannt wird.

Als Ludwig VI. 1583 starb, eignete sich Johann Casimir die Vormundschaft über Ludwigs noch minderjährigen Sohn Friedrich an. In dieser Position betrieb Johann Casimir die Wiedereinführung des Kalvinismus in der Kurpfalz. 1584/85 konnten die Neustätter Professoren an die Universität Heidelberg zurückkehren, wo Johann Casimir die Gründung eines weiteren Casimirianums veranlaßte. Um den Fortbestand des Kalvinismus in der Kurpfalz zu sichern, sorgte Johann Casimir für die Erziehung des Kurprinzen Friedrich im kalvinistischen Glauben. Kurprinz Friedrich kam später als Kurfürst Friedrich IV. in Heidelberg an die Macht, und führte die kalvinistische Tradition in der Kurpfalz fort. Friedrich IV. war der Bauherr des nach ihm benannte Friedrichsbaus im Heidelberger Schloß und ließ des weiteren die nach ihm benannte Zitadelle Friedrichsburg am Zusammenfluß von Rhein und Neckar errichten. Das an dieser Stelle befindliche Dorf Mannheim wurde in diesem Zusammenhang zu einer stark befestigten Stadt ausgebaut. Die heutige Stadt Mannheim geht auf die von Friedrich IV. gelegte Grundlage zurück.


Johann Casimir
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Johann Casimir
in Rüstung
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Kurfürst Friedrich IV.
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Kurfürst Friedrich IV.
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ABSTAND
ABSTAND
Literatur

Benrath, Gustav Adolf. Reformierte Kirchengeschichtsschreibung an der Universität Heidelberg im 16. und 17. Jahrhundert. Speyer, 1963.
Benrath, Gustav Adolf. Zacharias Ursinus 1534-1583. Neustadt a. d. Weinstraße, 1970.
Bierma, Lyle. German Calvinism in the confessional Age. The covenant theology of Casper Olevianus. Grand Rapids, Mich., 1996.
Cramer, Max-Adolf. "Herkunft und Verbleib der lutherischen Pfarrer in der Kurpfalz
unter der Regierung Kurfürst Ludwigs VI. (1576-1583)", in: Blätter für Württembergische Kirchengeschichte, Bd. 79, 1979. S. 153-168.
Edel, Andreas. Der Kaiser und die Kurpfalz. Eine Studie zu den Grundelementen politischen Handelns bei Maximilian II. (1564-1576). Göttingen, 1997.
Hollweg, Walter. Der Augsburger Reichstag von 1566 und seine Bedeutung für die Entstehung der Reformierten Kirche und ihres Bekenntnisses. Neukirchen-Vluyn, 1964.
Kuhn, Manfred. Pfalzgraf Johann Casimir von Pfalz-Lautern 1576-1583. Otterbach, 1959.
Kromnow, Åke. Pfalzgraf Johann Casimir von Zweibrücken. Kindheit, Jugendjahre und Brautfahrt nach Schweden (1589-1615), aus dem Schwedischen uebersetzt von Lothar W. Kinzinger. Kaiserslautern, 1994.
Krüger, Peter. Die Beziehungen der Rheinischen Pfalz zu Westeuropa 1576-82. Die auswärtigen Beziehungen des Pfalzgrafen Johann Casimir, Dissertation. München, 1964.
Press, Volker. Calvinismus und Territorialstaat. Regierung und Zentralbehörden der Kurpfalz 1559-1619. Stuttgart, 1970.
Press, Volker. "Die 'Zweite Reformation' in der Kurpfalz", in: Die reformierte Konfessionalisierung in
Deutschland - Das Problem der 'Zweiten Reformation'
, hg. v. Heinz Schilling. Gütersloh, 1986. S. 104-129.
Visser, Derk. Zacharias Ursinus. The reluctant reformer. New York, 1983.
Zimmermann, Gunther. "Der Heidelberger Katechismus als Dokument des subjektiven Spiritualismus", in: Archiv für Reformationsgeschichte, Bd. 85, 1994. S. 180-204.

 

Thomas Juelch - Heidelberg und die Kurpfalz

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