Reformiertes Spital

Als das Raumangebot im St. Anna Spital nicht mehr ausreichte, um die eines Spitalsplatzes Bedürftigen unterzubringen, errichtete die Reformierte Kirche um die Mitte des 18. Jahrhunderts ein eigenes Spital. (Die Reformierte Kirche hatte im 16. Jahrhundert in Heidelberg Fuß gefaßt, war aber auch nach der Rekatholisierung der Kurpfalz im Jahre 1685 noch präsent.) Zur Errichtung des Spitals gründeten die Reformierten eine Spitalskommission, die 1750 von der Kurpfälzischen Regierung approbiert wurde. Die Kommission hatte zunächst die zur Errichtung des Spitals erforderlichen Finanzmittel zu beschaffen. Um Geld zu sammeln, wurden Boten und Bittbriefe in reformierte Städte und Länder Europs entsandt. Bei der Bitte um Spenden wies man darauf hin, daß an der Universität Heidelberg, trotz der katholischen Herrschaft, weiterhin reformierte Pfarrer ausgebildet wurden.

1752 waren so viele Spenden eingegangen, daß man konkret über den Kauf eines geeigneten Gebäudes nachdenken konnte. Die Wahl der Spitalskomission fiel auf das gerade zum Verkauf stehende Leuneschlossische Haus am östlichen Ende der Hauptstraße. Die kurpfälzische Regierung sprach sich jedoch dafür aus, den Standort des Reformierten Spitals in der damals noch recht dünn bevölkerten Plöck anzusiedeln. Die Spitalskommission sah sich daher gezwungen, vom Ankauf des Leuneschlossische Hauses Abstand zu nehmen, und einen Neubau in der Plöck zu errichten. Wohl in erster Linie auf Grund von Geldmangel, entstand ein betont schlichtes Gebäude, das auf den umfangreichen Fassadenschmuck, den man von Barockgebäuden gewohnt ist, weitestgehend verzeichtet. 1756 wurde das Reformierte Spital eröffnet.

Das Reformierte Spital war kein Krankenhaus, sondern, wie bereits im Mittelalter das Alte Spital, ein Wohnheim für Bedürftige aller Art. Es lassen sich drei Gruppen von Bewohnern unterscheiden: (1) die Pfründner, die sich für ihren Lebensabend in das Spital einkauften und bei Abschluß des Pfründnervertrags auch die vom Spital zu erbringenden Leistungen aushandelten; (2) Arme bzw. Kranke ohne familiären Rückhalt; (3) Waisenkinder. Von der Eröffnung des Hauses an wurde das Leben der Bewohner durch eine Hausordnung geregelt, die den Bewohnern jedes halbe Jahr zu Gehör gebracht wurde. Der Tagesablauf im Reformierten Spital war minutiös geregelt. Auf das Leuten der Tagesglocke hin, hatten die Spitalbewohner aufzustehen und sich - im Sommer um 6:00 Uhr und im Winter um 8:00 Uhr - zu einem gemeinsamen Morgengebet zu versammeln. Während der Morgenandacht inspizierten die Spitalverwalter die Stuben, wobei die Namen der Bewohner, die ihre Stuben nicht ordnungsgemäß hergerichtet hatten, notiert wurden. Ein Frühstücksbrot wurde nur denjenigen gereicht, die als fleißige Arbeiter galten. Das Mittagessen wurde gruppenweise eingenommen. Um 11:00 Uhr wurde den Pfründnern das Mittagessen gereicht. Sie erhielten das von ihnen vertraglich ausgehandelte Essen. Jeweils mit halbstündigem Abstand folgten die beiden anderen Gruppen, die die vom Speiseplan vorgesehene Malzeit erhielten. Nach dem Mittagessen war eine Pause von einer halben Stunde vorgesehen. Wer stattdessen arbeiten wollte, konnte dies tun. Die Einnahme des Abendessens fand, ebenfalls in Gruppen aufgeteilt, ab 19:00 Uhr statt. Nach dem Abendessen wurde - im Sommer bis 22:00 Uhr und im Winter bis 21:00 Uhr - gearbeitet. Der Verwalter war von der Spitalskommission angehalten, über das korrekte Verhalten der Spitalsbewohner zu wachen. Zur Ahndung von Fehlverhalten konnten Bewohner von Mahlzeiten ausgeschlossen, oder schlimmsten Falls des Spitals verwiesen werden.

Im September des Jahres 1798 brach ein Brand im Reformierten Spital aus. Der Brandherd befand sich im dritten Obergeschoß des Gebäudes. Von dort aus drangen die Flammen in das Dach vor und zerstörten dieses vollkommen. Die Spitalbewohner wurden allesamt evakuiert und in der Nachbarschaft untergebracht. Am folgenden Tag wurde das ohnehin fast leerstehende Dominikanerkloster zur provisorischen Unterbringung der Spitalbewohner zur Verfügung gestellt. Der Wiederaufbau des Reformierten Spitals verschlang immense Summen, so daß die Spitalskommission erneut europaweit Spenden sammeln mußte. Erst im Herbst 1799 war das Reformierte Spital wieder völlig hergestellt.

Literatur

Goetze, Jochen. "Die Geschichte der Reformierten Spitals zu Heidelberg", in: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt, Bd. 5, 2000. S. 11-37.
Schmitt, Walter. Die Organisation der Armenpflege in Heidelberg bis 1870, Dissertation. Heidelberg, 1959.
Schwerdel-Schmidt, Heike. Die Hospitalbauten der kurpfälzischen Residenzstädte, Dissertation. Heidelberg, 1998.

 

Thomas Juelch - Heidelberg und die Kurpfalz

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