"Wenige Schritte
westlich vom Aussichtsturm des Heiligenberges liegt das sogenannte Heidenloch.
Die viereckige ausgemauerte Vertiefung, durch ein Holzgeländer abgegrenzt,
ist größtenteils mit Schutt und Laubwerk angefüllt. Einst
von den Mönchen des Stephansklosters
als Zisterne angelegt, das Regenwasser aufzufangen, galt die Zisterne
als wertvoller Bestandteil der Klosteranlage; denn Quellwasser war in
jener Gegend immer selten, und Pumpwerke, wie man sie heute hat, kannte
man keineswegs. Was aber will das Volk alles wissen über die als
geheimnisvoll geltende Anlage! Nur zwei kurze Beispiele sollen dies andeuten.
Einst soll der Schacht eine solche Tiefe gehabt haben, daß er bis
zum Neckarbett hinunterreichte. Mehrere unterirdische Gänge schlossen
sich nach allen Seiten, besonders aber nach Osten und Süden an. Sogar
unter dem tiefen Fluß quer hindurch soll ein geheimer Weg von einem
zum andern Ufer geführt haben, der beim Jettenbühl,
auf dem das Schloß erbaut ist, ausmündete. Was mögen diese
unterirdischen Gänge im Verlauf der Jahrhunderte alles gesehen und
erlebt haben! Eine Gans, so heißt es u.a., die man in die Tiefe
hinabgelassen, sei beim Stift
Neuburg wieder zum Vorschein gekommen.
Recht unheimlich klingt der Bericht, daß ein Fürwitziger, den
wohl die Gier nach geheimen Schätzen in das Heidenloch führte,
am Grunde desselben in ein weites, großes Gemach gelangte. In der
Richtung gegen die Michaelsbasilika
soll er plötzlich eine große, eisenbeschlagene Kiste, und als
er sich erschrocken nach der Neuenheimer Seite wendete, zwei solcher Kisten
gesehen haben, die von angeketteten Hunden bewacht waren. Kaum hatte sein
Auge sie erblickt, als jähes Entsetzen ihn zur raschen Flucht trieb.
Nie mehr wird der Vorwitzige wieder Luft verspürt haben, nach weiteren
Schätzen Ausschau zu halten."
(Bernhard, S. 32)
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