Kloster Lorsch

Das Kloster Lorsch wurde um 760 von der einflußreichen, hochadeligen Familie der Rupertiner oder Robertiner als Eigenkloster gegründet. (Der Begriff "Eigenkloster" bezeichnet ein nicht durch die Kirche sondern durch eine Privatperson begründetes Kloster, wobei der Gründer die zum Betrieb des Klosters erforderlichen Geistlichen anwirbt.) Ein Jahr nach der Gründung wurden die Reliquien des römischen Märtyrers Nazarius in einer eindrucksvollen Prozession in die Abtei übertragen. Mit der Ankunft dieses kostbaren Schatzes begann ihr schneller Aufstieg. Dazu trugen auch die Stifter des Klosters bei, die mit den Karolingern verwandt waren. Von Karl dem Großen bekam die Abtei 772 die Mark Heppenheim übertragen, die den Kern des sich im folgenden rasch vergrößernden Lorscher Territoriums bildete. Durch seine umfangreichen Besitzungen im Lobdengau geriet das Kloster Lorsch mit dem Bistum Worms in Konflikt. So unterstand das Kloster Lorsch, als Reichsabtei, nicht dem Wormser Bischof und schmälerte, durch seine Expansion im Lobdengau, dessen Einfluß in dieser Region.

Das Kloster Lorsch war nicht nur von großer politischer Bedeutung, sondern stellte auch ein wichtiges kulturelles Zentrum dar. Um 788 entstand im Kloster beispielsweise das Lorscher Arzneibuch (Liber Medicinalis), das Lorsch als einzigartiges Zentrum der frühmittelalterlichen Medizin ausweist. Kern des Werkes sind fünf Rezeptbücher. Von den ummantelnden Werken hat vor allem die "Verteidigung der Heilkunde", ein Text, der für einen Autonomieraum der Medizin gegenüber dem Christentum eintritt, einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt. Allgemein gesprochen besaß die Lorscher Abtei eine äußerst umfangreiche Bibliothek, deren kostbarster Schatz sicherlich das berühmte Lorscher Evangeliar war. Es handelt sich hierbei um eine prächtige Handschrift, die die vier Evangelien nebst mehreren ganzseitigen Miniaturen enthält. Das Werk war um 810 im Kontext der karolingischen Renaissance angefertigt und von Karl dem Großen der Lorscher Abtei geschenkt worden. Die Lorscher Klosterbibliothek enthielt ferner eine im Auftrag Karls des Großen angelegte Sammlung althochdeutscher Texte, die leider, bis auf die sog. "Lorscher Beichte", den "Lorscher Bienensegen" (ahd. Beschwörungsformel zur Bannung eines Bienenschwarms) und einige Fragmente restlos verloren gegangen ist. Nach der Auflösung des Lorscher Klosters im Jahre 1557 gelangte der Bücherbestand der Klosterbibliothek größtenteils nach Heidelberg, wo er den Grundstock der in der Heiliggeistkirche untergebrachten Bibliotheca Palatina bildete.

Um den Lorscher Einfluß am Neckar gegenüber dem Bistum Worms zu sichern, errichtete der Lorscher Abt Thiotroch (863-875) auf dem Aberinsberg, der heute als Heiligenberg bezeichnet wird, das Michaelskloster. Als zweites Lorscher Filialkloster auf dem Heiligenberg folgte um 1090 das Stephanskloster. Eher neben als auf dem Heiligenberg entstand um 1130 das Stift Neuburg als letzte Lorscher Filialgründung im Umfeld des Heiligenberges.


Kloster Lorsch,
Originalzustand
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Kloster Lorsch,
umgestaltete Torhalle
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Kloster Lorsch, Torhalle,
heutiger Zustand
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Elfenbeindeckel mit
Madonnendarstellung
des Lorscher
Evangeliars
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Kloster Lorsch
vor 1621
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ABSTAND
Da das Kloster Lorsch umfangreiche Territorien besaß, kam es hinsichtlich der Vogteirechte an diesen Gebieten zu politischen Auseinandersetzungen. Bei Vögten handelte es sich um weltliche Herren, die für die Klöster den Schutz ihrer Territorien übernahmen. Außerdem übten Vögte die Gerichtshoheit über die ihnen anvertrauten klösterlichen Gebiete aus, da ein Abt, als geistlicher Würdenträger, keine Todesurteile sprechen durfte. Meist handelten die Vögte den Interessen des Klosters jedoch insofern zuwider, als daß sie versuchten, die Territorien, über die sie die Vogteirechte besaßen, in ihren Besitz umzuwandeln. Seit 1196 beanspruchte der deutsche König die Vogteirechte für die Gebiete des Klosters Lorsch. Der Pfalzgraf bei Rhein war jedoch bereits zuvor Vogt des Lorscher Klosters gewesen und war nicht bereit, auf seine angestammten Rechte zu verzichten. Die Lorscher Äbte dieser Zeit waren schwach und außer Stande, aktiv Einfluß auf die Auseinandersetzung zu nehmen. Da der König schließlich keinen anderen Weg mehr sah, die Lorscher Territorien den Ansprüchen des Pfalzgrafen zu entziehen, übertrug er das Kloster Lorsch 1232 an den Mainzer Erzbischof Siegfried II. Damit war die Reichsabtei Lorsch in ein Bischofskloster umgewandelt worden. Nach dem Willen des Papstes sollte damit eine Reform des geistlichen Lebens durch die Übertragung Lorschs an einen anderen Orden einhergehen. Die Benediktiner wurden im folgenden aus dem Kloster vertrieben, was ein langwieriger Prozeß war, da sie erbitterten Widerstand leisteten. Nach ihrer Vertreibung aus dem Kloster setzten sie sich in der Starkenburg bei Heppenheim fest, in der sie noch einige Zeit ausharrten. Im Kloster Lorsch wurden im folgenden Prämonstratensermönche aus dem Kloster Allerheiligen in Freiburg i. Br. angesiedelt.

Die Kurpfalz erhob, auf Grund ihrer Vogteirechte, allerdings weiterhin Anspruch auf das Kloster Lorsch. Als der Mainzer Erzbischof Diether von Isenburg-Büdingen 1461 in der Mainzer Stiftsfehde auf die Unterstützung des pfälzischen Kurfürsten Friedrich I. angewiesen war, verpfändete er Lorsch zusammen mit Heppenheim und Bensheim an die Kurpfalz. 1557 wurde das Lorscher Kloster durch Kurfürst Ottheinrich im Zuge der Reformation endgültig aufgehoben. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die ehemalige Klosteranlage 1621 niedergebrannt. Von den Schäden sollte sie sich nie wieder erholen. Unmittelbar vor der Zerstörung entstand gerade noch rechtzeitig der Merian-Stich, der unsere einzige präzise Quelle hinsichtlich der baulichen Gestalt der Klosteranlage ist. Als die Kurpfalz nach dem Dreißigjährigen Krieg unter Karl Ludwig dringend Geld zum Wiederaufbau benötigte, konnten Lorsch, Heppenheim und Bensheim von Kurmainz zurückgekauft werden.
ABSTAND

Thomas Juelch - Heidelberg und die Kurpfalz

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